Wenn nun schon ihr …

Predigt zu Lk 11,9-13 (C/17)

Einleitung
„Da hilft nur noch beten“, sagt der eine, wenn er in eine schwierige Situation kommt.
„Wenn du dich aufs Beten verlässt, dann bist du verlassen“, sagt der andere.
Zu welchem Typ gehören Sie?

Predigt
„Bittet, dann wird euch gegeben. Sucht, dann werdet ihr finden. Klopft, dann wird euch aufgetan“ (Lk 11,9).
Das klingt wie religiöser Automatismus. Gebet einwerfen – entsprechende Gabe kommt heraus.
Aber: Trifft das unsere Erfahrung? Ich vermute: Die meisten, die hier sitzen, schütteln innerlich mit dem Kopf. Das ist ja genau das Problem. Da betet man ein Leben lang zu seinem Gott – und dann, wenn man ihn ganz nötig bräuchte, dann wird man hängen gelassen. Von wegen: „Bittet, dann wird euch gegeben!“
Da bekommt einer eine schlimme Diagnose. Er betet inständig zu seinem Gott. Und dann: Eine Therapie nach der anderen schlägt fehl. Die Ärzte wissen keinen Rat mehr. Hat sein Gebet genützt?
Da merkt einer: In unserer Beziehung, da fängt es an zu kriseln. Er betet inständig zu seinem Gott. Und dann: Jeden Tag wird es schlimmer. Sie schweigen oder giften sich nur noch an. Am Ende geht alles in die Brüche. Hat das Gebet genützt?
Liebe Leser, ich meine: Der Evangelist Lukas war sich dieser Schwierigkeiten bewusst. Er hat erkannt, dass recht verstandenes Bittgebet kein Automatismus ist: Gebet nach oben schicken – Gabe kommt nach unten.

Was Lukas am Ende seiner Gebetsschulung schreibt, sollte uns deshalb stutzig machen: „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, um wieviel mehr wird der Vater im Himmel denen den heiligen Geist geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13).
Da heißt es gerade nicht: Gott wird euch geben, was ihr wollt. Sondern: Worum auch immer wir Menschen bitten, versprochen wird uns die Gabe des heiligen Geistes.
Das ist ein großer Unterschied.
Wenn ich das ins Leben zu übersetzen versuche, bedeutet das für mich: Wenn ich Gott inständig bitte, wird mein Gebet gehört. Aber es wird vielleicht anders erhört, als ich mir das wünsche. Ich wünsche mir natürlich Gesundheit. Aber die versprochene Gabe ist Gottes heiliger Geist. Der nimmt das Schwere nicht einfach weg, aber der will mich einen Weg finden lassen, wie ich es bestehen kann. Der will mir Kraft dazu geben, etwas durchzustehen, was ich mir nicht hätte vorstellen können. Der will mir eine Perspektive schenken, die dort noch einen Sinn erkennen kann, wo ich vorher nur schwarz gesehen habe.
Davon scheint Lukas überzeugt: Wer inständig zu Gott betet, der bekommt nicht einfach seinen Wunsch erfüllt, sondern: Der wird nicht allein gelassen. Der muss vielleicht einen Weg gehen, der ihm nicht gefällt; einen Weg der in eine Richtung führt, in die er eigentlich nicht möchte, aber Gott begleitet ihn.
Vielleicht denken Sie jetzt: Typisch Theologengewäsch! Leicht gesagt, schwer zu ertragen.
Auch das, meine ich, hat der Evangelist Lukas schon gemerkt. Denn anders als ich stellt er der Rede über die Gabe des heiligen Geistes ein Beispiel aus der Welt der Familie voran: „Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange geben wird, wenn er um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?“ (Lk 11,11f.). Natürlich nicht, antworten alle. Wenn ein Kind um einen Fisch oder um ein Ei bittet, wird keine Vater und keine Mutter ihm eine Schlange oder einen Skorpion in die Hand drücken – sondern, so würden wir fortfahren, natürlich einen Fisch oder ein Ei.
Aber genau das schreibt Lukas nicht. Sondern: „Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist …“ Haben Sie’s gemerkt? Da bleibt eine Offenheit. Eltern werden nicht immer dem Wunsch ihrer Kinder genau entsprechen. Eltern geben dem Kind, was gut ist. Und das kann aus ihrer Perspektive etwas ganz anderes sein, als das Kind wünscht. Natürlich kein Skorpion und keine Schlange. Das würde dem Kind ja schaden. Aber was wirklich gut für das Kind ist, kann das Kind vielleicht selbst gar nicht so genau erkennen.
Ich bin ziemlich sicher, dass die Eltern unter ihnen genau an diesem Punkt mit ihren Kindern gerungen haben. Da sind vielleicht Worte gefallen wie: Was du von mir erbittest, das ist einfach nicht gut für dich. Das kannst du zwar jetzt noch nicht einsehen, aber glaub mir: Ich hab‘ mehr Lebenserfahrung als du …
Und darauf baut Lukas auf und sagt: Wenn es schon bei Menschen so ist, um wie viel mehr bei Gott. Er gibt denen, die ihn bitten, seinen heiligen Geist, d.h. die Kraft, den nächsten Schritt zu gehen. Das ist nicht alles, aber viel.

Fürbitten
Herr, unser Gott, wir glauben an deine Wirksamkeit mitten in unserem Leben. Deshalb rufen wir:
V: Schick uns deinen heiligen Geist!
A: Schick uns deinen heiligen Geist!


Wenn uns schwere Sorgen drücken
A: Schick uns …
Wenn wir Rat und Hilfe brauchen
Wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen soll
Wenn wir uns am Ende fühlen
Wenn wir keinen Ausweg sehen
Wenn wir uns unverstanden fühlen
Wenn wir nicht mehr klar denken können
Wenn wir nur noch schwarz sehen
Wenn wir am liebsten verzweifeln möchten


Pfarrer Stefan Mai

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