Vom Umgang mit Niederlagen

Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis (Lk 9,51-62)

Im Olympischen Dorf in München hing das Bild eines gestürzten Langstreckenläufers, dem man den Sieg zugetraut hatte. Darunter stand der Text: "Als der Läufer zusammenbrach, waren die Trainer ratlos. Sie hatten alles trainiert, nur nicht die Niederlage."

Diese Bilder kennen wir vom Sport, wenn die Verlierer bei einem Championsleage-Endspiel wie traumatisiert mit leeren Augen umherschauen, ausgepumpt und heulend am Boden liegen und wie geprügelte Hunde vom Platz gehen.
Dieses Gefühl kennen wir vom Leben, wenn wir uns große und hehre Ziele gesetzt, wahnsinnige Kräfte dafür mobilisiert haben und dann der erhoffte Erfolg doch ausgeblieben ist.
Aber wie damit umgehen?

Er hat ein großes Ziel vor Augen: Jerusalem, das Zentrum des Glaubens und der Macht mit seiner Botschaft zu konfrontieren. Der Evangelist Lukas umschreibt dies im Griechischen mit einem Bildwort: Und Jesus „heftete sein Angesicht auf Jerusalem“. Und er hat eine Strategie im Kopf. Er schickt einen Vortrupp voraus, der die einzelnen Etappen bis hin zum großen Ziel gut organisieren sollte. Doch dann gleich zu Beginn des Vorhabens eine große Enttäuschung. Die Hoffnung auf Bewunderung oder eine gute Aufnahme unterwegs wird jäh zerstört. Man will von diesem Jesus und seinen hochmotivierten Anhängern nichts wissen. Man lässt sie einfach abblitzen. Will sie nicht sehen und hören. Gleich zu Beginn eine herbe Niederlage. Die Enttäuschung darüber ist so groß, dass sie in Wut und Aggression umschlägt: Herr sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?
Doch Jesus reagiert auf diese Ablehnung gelassen, bläst seiner Mannschaft, die mit dem Dorf abrechnen will, den Marsch und wendet seinen Blick wieder nach vorn. Es geht weiter in ein anderes Dorf.
Die Reaktion Jesu: Schuldzuweisungen bringen nicht weiter
Rachegelüste sind hier fehl am Platz. Was mit der Niederlage fertig werden lässt, ist der Blick nach vorn. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren, wieder aufstehen und weitergehen.

Liebe Leser, für mich ist es kein Zufall, dass diese Szene
direkt vor der Aussendungsrede der 72 Jünger platziert ist.

Mir erscheint Jesus als kluger Trainer. Noch bevor er seine Mannschaft ausschickt, hat er bereits den Umgang mit Niederlagen trainiert. Und ich meine: Seine Taktik gilt auch heute noch, wenn Pläne scheitern und Niederlagen hingenommen werden müssen:
Schuldzuweisungen bringen nicht weiter.
Rachegelüste sind hier fehl am Platz.
Was mit der Niederlage fertig werden lässt, ist der Blick nach vorn. Das Ziel nicht aus den Augen verlieren, wieder aufstehen und weitergehen.


Pfarrer Stefan Mai

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