Liebende leben von der Vergebung

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Joh 21, 15-19)

Der Bremer Dichter Manfred Hausmann hat einen Roman geschrieben mit dem Titel: „Liebende leben von der Vergebung“. Darin wird ein Versöhnungsgespräch zwischen Eheleuten beschrieben:
„Ich habe immer gemeint“, sagt da der Mann Dr. Garrelts, „es sei weiter nichts dabei, ein gute Ehe zu führen, wenn man sich nur gern habe und einen aufrichtigen Willen mitbringe. (...) Aber als wir zum ersten Mal auf die Probe gestellt wurden, ist es uns misslungen, ganz und gar. Kann man das eine Ehe nennen?“ Und dann antwortet seine Frau Irene: „Sieh mal, weil es uns misslungen ist, haben wir eingesehen ... oder jedenfalls ich ... ich habe jedenfalls eingesehen, dass ich hilfsbedürftig bin, dass du mir vergeben musst. Und das kannst du doch nur, wenn du mich liebst. Alle, die sich lieben, leben von der Vergebung. Das weiß ich jetzt.“
Auch bei ihm gab es einen Riss in der Beziehung, einen Knick in der Biographie. Bei Simon, Petrus genannt. Petrus, der Fels.
So fühlte er sich einmal: Wie ein Fels, einer, der unerschütterlich ist, auf dem man einfach bauen kann und auf den Verlass ist. Einer, der für Jesus durch dick und dünn geht. Einer, der Verantwortung übernehmen will und als Paradepferd im Jüngerstall von Jesus gilt.
Er war einmal der Vorzeigejünger. Ein souveränes Glaubensbekenntnis hat er abgelegt. Während die anderen noch darauf hören, was die Leute sagen und sich nicht trauen, eine eigene Meinung zu bilden, seine klare Stellungnahme: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Und das macht ihn zum Frontmann der Zwölf: „Du bist Petrus, der Fels und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“
Er war einmal der Sprecher des Jüngerkreises und manchmal auch ein Großsprecher: „Jesus, und wenn alle an dir irre werden, ich nicht!“ Und dann dieser Knick in der Biographie, dieser Riss in der Beziehungsgeschichte. Eine Frage am Kohlenfeuer im Hof des Hohepriesters hat genügt, den Felsen ins Wanken zu bringen. Den Großsprecher vor Angst verstummen zu lassen.

Auf diesem Hintergrund bekommt die Auferstehungsgeschichte, die wir heute gehört haben, eine besondere Bedeutung. Denn sie bringt diese Wahrheit ins Bild: Alle die sich lieben, leben von der Vergebung.
Die letzte Ostergeschichte des Johannesevangeliums spielt wieder an einem Kohlenfeuer. Dreimal wurde Petrus er am Kohlenfeuer gefragt: Du gehörst doch auch zu ihm? Dreimal die Verleugnung.
Und jetzt hört er am Kohlefeuer - da muss die Verleugnungsgeschichte für Petrus wieder hochgekommen sein - wieder dreimal eine Frage, die Frage: „Simon, Sohn des Johannes liebst du mich?“
Alle Liebende wissen, wenn es in einer Beziehung kriselt und es wird mehrmals diese Frage gestellt: Liebst du mich?, dann steht viel auf dem Prüfstand. Jesus lässt den Namen Petrus hier einfach weg und nennt ihn bei seinem alten Namen: „Simon, Sohn des Johannes.“ Jesus weiß über ihn Bescheid. Petrus ist eben nicht mehr der Fels. Er ist nur noch Simon, ein einfacher Fischer - wie beim ersten Mal einige Jahre zuvor, als Jesus ihn auch rief, genau hier an diesem See. Unbewusst wird Petrus hier am See an den Zauber des Anfangs der Freundesgeschichte erinnert und wiederum wird ihm neues Vertrauen, neue Verantwortung geschenkt: „Weide meine Schafe!“
Ein Versöhnungsgespräch, ohne den anderen auf seine Schuld festzunageln und ihn als Sündenbock zu brandmarken. Ein Versöhnungsgespräch, das wieder neues Vertrauen schenkt. Zu einem solchen Gespräch nach einem Riss in der Beziehung, dazu sind bis heute nur Menschen fähig, die sich wirklich lieben und darum wissen: Alle, die sich lieben, leben von der Vergebung


Pfarrer Stefan Mai

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