Ist Lukas ein Morgenmuffel?

Predigt zum Ostermontag 2013

Einleitung
Die Osternachtsfeier – soll sie am Ostersonntag in aller Herrgottsfrühe sein oder lieber am Karsamstag, aber nicht so spät. Darüber wird in unseren Gemeinden oft diskutiert und manchmal sogar gestritten.
Die Befürworter der Auferstehungsfeier am frühen Morgen führen neben dem Osterfrühstück ein biblisches Schwergewicht ins Feld: Die Frauen gingen doch früh zum Grab! Das stimmt.
Aber passen Sie heute beim Evangelium einmal genau auf! Das Lukas-Evangelium bringt diese Argumentation kräftig ins Wanken.

Predigt
Fast könnte man meinen, der Evangelist Lukas sei ein Morgenmuffel. Die schönste und wichtigste seiner Ostergeschichten findet am Abend statt: Der Tag hat sich schon geneigt. Es wird dunkel, als den Emmausjüngern endlich die Augen aufgehen.
Es ist bereits Nacht, als die beiden zurück nach Jerusalem eilen: Und siehe da. Auch dort ist man noch versammelt – und endlich, ebenfalls zu später Stunde, in Osterstimmung gekommen. „Der Herr ist wirklich auferstanden“, ruft man dort den beiden Nachtschwärmern entgegen.
Am Morgen war noch nicht viel los: Die Frauen stehen ratlos vor dem Grab und erschrecken. Was sie dort erleben, bringt sie ganz durcheinander. Sie berichten den Aposteln. Aber die sagen nur: „Weibergeschwätz!“
Nicht anders bei den Emmausjüngern. Stundenlang spricht Jesus mit ihnen – und sie kapieren nichts. Was ihnen am Morgen noch als Unsinn erscheint, erst am Abend leuchtet es ihnen ein: Er ist wahrhaft auferstanden.
Auf den Evangelisten Lukas trifft nicht das Sprichwort zu: Morgenstund‘ hat Gold im Mund. Das Entscheidende ereignet sich bei ihm am Abend. Für Lukas gilt ein anderes Sprichwort: Die Erfahrungen leuchten dem Menschen, wie die Sterne, erst am Abend.
Ich glaube, Lukas hat mit seiner abendlichen Ostererzählung einen Lebensnerv getroffen.


Oft ist es der Abend, wenn die Geschäftigkeit des Tages vorüber ist, der Lärm weniger wird, dass man sich in Ruhe zusammensetzen und miteinander reden kann – dann passieren die entscheidenden Dinge.
Sie haben die Kinder zu Bett gebracht. Die beiden setzen sich noch einmal an den Küchentisch, trinken eine Tasse Kaffee und kommen ins Erzählen, was selten passiert. Er von seinen Sorgen auf der Arbeit. Sie davon, dass ihr die Kinder zwar Freude machen, aber ihr langsam die Decke auf den Kopf fällt – und sie wieder in den Beruf zurück möchte. Und beide planen miteinander, wie sie eine neue Phase in der Familiengeschichte angehen könnten. Und seit langem gehen sie wieder einmal mit einem ganz guten Gefühl ins Bett.
Drei Freundinnen treffen sich seit langer Zeit wieder einmal – in ihrer Lieblingskneipe von früher. Auf diesen Abend haben sie sich lange gefreut. Sie erzählen sich die alten Geschichten von damals – und allmählich auch das, wo ihnen gerade der Schuh drückt. Sie finden für die Probleme keine Lösung, aber sie gehen mit dem guten Gefühl nach Hause: Die anderen haben mich verstanden.

Liebe Leser,
sind solche Abendstunden nicht kleine Auferstehungserlebnisse? Emmausstunden im besten Sinn des Wortes?

Fürbitten
Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.
Wir singen die bekannte Melodie im GL 18,8: „Herr, bleibe bei uns“
- Bleibe bei uns und bei deiner ganzen Kirche …
„Herr, bleibe bei uns“

- Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt …
„Herr, bleibe bei uns“

- Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte, mit deinem heiligen Wort und Sakrament, mit deinem Trost und Segen …
„Herr, bleibe bei uns“

- Bleibe bei uns, wenn über uns kommt die Nacht der Trübsal und Angst, die Nacht des Zweifels und der Anfechtung, die Nacht des bitteren Todes …
„Herr, bleibe bei uns“

- Bleibe bei uns und bei allen deinen Gläubigen in Zeit und Ewigkeit
„Herr, bleibe bei uns“


Pfarrer Stefan Mai

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