Einer wird dich tragen

Osternacht 2013

Einleitung am Feuer
Wir stehen vor dem Osterfeuer und bereiten nach einem alten Ritus die Osterkerze: Als Zeichen der Wunden Jesu werden fünf rote Grannen in die Osterkerze gesteckt. Danach wird die Osterkerze am Osterfeuer entzündet und in die dunkle Kirche tragen: Dabei können wir alle sehen: Über den fünf Wunden leuchtet das Osterlicht wie eine Hoffnungsflamme – und zugleich erscheinen die Wunden in einem anderen Licht.
- Segnung des Feuers
- Ich nehme den ersten Kreuznagel und stecke ihn in die Osterkerze:
Durch seine hl. Wunden
Ich nehme den zweiten Kreuznagel
Die leuchten in Herrlichkeit
Ich nehme den dritten Kreuznagel
Behüte uns
Ich nehme den vierten Kreuznagel
Und bewahre uns
Ich nehme den fünften Kreuznagel
Christus der Herr
Osterkerze anzünden
„Christus ist wahrhaft auferstanden vom Tod.
Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen“


Einleitung zu den Lesungen
Ich werde nie den türkischen Vater vergessen, der mir erklärt hat: Jeden Abend lege ich unseren Gebetsteppich unter das Bett meines Sohnes: Er soll von klein auf das Gefühl haben, dass Gott ihn trägt.
Um dieses Gefühl geht es in der Osternacht: dass Gott uns trägt, egal wie uns das Leben mitspielt. Von solchen Menschen, die das erfahren haben, erzählen die Lesungen in dieser Nacht:
Menschen, denen das Wasser bis zum Hals steht, kommen durch. Einem, der um sein Liebstes gebracht wird, dem eröffnet sich ein Ausweg. Wo alle nur Totengerippe sehen, stehen plötzlich Menschen auf.
Auswahl der Lesungen
2. Lesung: Gen 22
3. Lesung: Ex 15
7. Lesung: Ez 37 (Pfingsten/Am Vorabend)

Predigt
Ich stelle die Behauptung auf: Ostern ist etwas für Ungläubige. Von Anfang an. Alle Evangelien reden davon. Die Frauen stehen ratlos da, als sie den Leichnam Jesu nicht finden. Sie erschrecken, als sie die göttlichen Boten sehen. Die Apostel halten die Botschaft von der Auferstehung für Weibergeschwätz. Petrus, der Führer der Kirche, blickt trotz Tatortbesichtigung nicht durch. Thomas braucht mehrfachen Nachhilfeunterricht.
Ostern ist etwas für Ungläubige, die das Leben müde gemacht hat. Für Menschen, die mit bleischweren Beinen durchs Leben gehen. Die sich wie lahm fühlen. Die keinen Mumm in den Knochen haben. Die ein Brett vor dem Kopf haben. Die ohne Zukunftsperspektive sind und die nicht wissen, wie es weitergehen soll. Ostern ist etwas für Menschen, die ins Schleudern geraten sind und nicht wissen, wie sie wieder auf die richtige Spur kommen können. Für Menschen, die im Dunkeln tappen und nicht daran glauben können, dass es wieder einen neuen Morgen gibt.
Die Feier der Osternacht versucht nur eines: über Symbole und Erzählungen Vertrauen wecken.
Ein Licht erscheint in der Dunkelheit. Wir hören: Menschen, denen das Wasser bis zum Hals steht, kommen durch. Einem, der um sein Liebstes gebracht wird, dem eröffnet sich ein Ausweg. Wo alle nur Totengerippe sehen, stehen plötzlich Menschen auf.

Diese starken Texte der Osternacht könnten weitergeführt werden von einem Song des Liedermachers Klaus Hoffmann. Obwohl sein Text vermutlich nichts mit unserem christlichen Osterglauben zu tun hat, drückt er eindrücklich das Gefühl aus, das in dieser Nacht entstehen soll:
K. Hoffmann, „Den Rest besorgt die Zeit“
Gegen Ende in das Lied den Text hineinsprechen


Mit nur einer einzigen Wortänderung wird dieses Lied zu einem wirklich christlichen Osterlied:
Nicht irgendetwas wird dich tragen. Sondern:
Einer wird dich tragen, wenn du glaubst zu schwer zu sein.
Einer lässt dir Flügel wachsen, wenn du trudelst wie ein Stein.
Nicht irgendetwas, sondern Einer wird da sein, wenn du schon nichts mehr siehst.
Einer wird dich nachts begleiten, wird dich führen, wird dich leiten, wenn du durch dein Dunkel gehst.
Einer wird dich lenken, wenn du denkst, allein zu sein.
Einer wird dir Größe schenken, fühlst du dich auch noch so klein.
Nicht irgendetwas, Einer wird dich lehren, wenn du traurig bist.
Einer wird dich ruhig betten, wird dich schützen, wird dich retten,
Wenn du durch die Wolken ziehst.

Fürbitten
Wir feiern in dieser Nacht die feste Überzeugung, dass Gott uns trägt. Und wir bitten heute für Menschen, die ihrerseits versuchen, andere zu tragen:
Werdende Mütter tragen unter ihrem Herzen ein kostbares Gut und eine große Hoffnung …
V: Gib ihnen Kraft zum Tragen.
A: Gib ihnen Kraft zum Tragen.
Eltern sind ihre Kinder anvertraut und sie möchten dieser Verantwortung gerecht werden …

Familien entscheiden sich ganz bewusst und trotz großer Schwierigkeiten dafür, ihre alten Angehörigen selbst zu pflegen …

Angehörige und Nachbarn möchten psychisch Kranken ermöglichen, in ihrem Lebensumfeld bleiben zu können …

Menschen wissen um ihre eigenen Defizite, Fehler und Schwächen, unter denen sie leiden …


Pfarrer Stefan Mai

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