Zwischendrin stehen

Predigt zum 4. Fastensonntag (Lk 15,1-3.11-32)

Predigt
Es ist wieder einmal Feuer unter dem Dach. Wieder hat sich der dauernd schwelende Konflikt hochgeschaukelt. „Jetzt bist du schon 40 und kommst immer noch nicht vom Rockzipfel deiner Mutter los. Anstatt dass du zweimal in der Woche nach der Arbeit zu deiner Mutter rennst, könntest du mit deinen Kindern Hausaufgaben machen oder mit ihnen mal etwas spielen!“ bekommt er von seiner Frau zu hören, die es mit der Schwiegermutter nicht so kann. Ein paar Minuten vorher lag ihm seine Mutter noch in den Ohren: „Also Bub, seit du mit der Renate verheiratet bist, bist du ein ganz anderer Mensch geworden. Du hast ja gar keine Zeit mehr für mich. Wenn du da bist, musst du immer gleich weg. Man spürt direkt, wie sie dich am Bandel hält.“
Und er steht dazwischen, zwischen seiner Frau und seiner Mutter.

Am Blick ihrer Freundin Andrea merkt sie es schon. Irgendwas stimmt wieder nicht. Sonst wäre sie heute am Telefon nicht so kurz angebunden, wo doch sonst unter einer Viertelstunde nichts läuft. Und da kommt es ihr: Gestern war sie mit ihrer anderen Freundin Petra beim Einkaufen in Nürnberg. Andrea und Petra sind sich nicht grün - und sie steht dazwischen.

In einer Pfarrgemeinde gibt es zwischen zwei Gruppen Interessenskonflikte. Beide Gruppierungen tun viel für das Leben in der Pfarrei. Aber ihre Beziehung zueinander ist gespannt. Und der Pfarrer, der die Gemeinde zusammenhalten will, kann es keiner Recht machen. Er ist zwischendrin zwischen den Mühlen.

Wer diese Erfahrung „ich steh dazwischen“ schon einmal in seinem Leben gemacht hat, der kann mit dem Vater des heutigen Gleichnisses gut mitfühlen. Denn dieser steht zwischen dem jüngeren und älteren Sohn. Er möchte die Beziehung auch in einer angespannten Atmosphäre zu beiden halten und geht auf beide zu. Die zwei kleinen Sätzchen sagen alles:
„Er lief dem Sohn entgegen“ - wird vom Vater erzählt, als er den jüngeren Sohn kommen sieht.
„Der Vater kam heraus“ - heißt es, nachdem der ältere Sohn zornig vor dem Haus stehen bleibt, wie drinnen das Heimkehrerfest für das verzogene Söhnchen steigt.
Der Vater geht auf beide zu, möchte sie zusammenhalten, kommt jedem entgegen. Er wartet nicht, bis der Jüngere seine Schuld eingestanden und der andere seinen Trotz und sein Beleidigtsein überwunden hat. Aber die Geschichte hat einen offenen Schluss. Wir wissen nicht, wie sie ausgeht.

Es macht mich nachdenklich: das lateinische Wort für „dazwischen sein“ heißt inter-esse. Der Vater, der zwischen seinen Söhnen steht, hat Interesse an beiden. Ihm ist es nicht gleichgültig, wie es den beiden geht und möchte beiden entgegenkommen, egal, wie es ihm ausgelegt wird.

Liebe Leser,
das Gleichnis vom Vater und seinen zwei Söhnen und dem offenen Schluss gibt mir kein Patentrezept an die Hand, wie ich mit solch heiklen „Zwischendrinsteh-Situationen“ erfolgreich umgehen kann. Es ermutigt nur zu einem: ein entgegenkommender Mensch zu sein. Und es erzählt in der Person des Vaters, wie es Gott andauernd geht: Er steht andauern zwischen Menschen mittendrin, die sich einander nicht grün sind. Mit dem Gleichnis macht Jesus klipp und klar: Wenn du mit Menschen nicht zurechtkommst, dann brauchst du dir nicht einzubilden, dass Gott nur auf deiner Seite steht. Er wird immer den Spagat aushalten, zu dir und zu denen, mit denen du nicht grün bist, in Beziehung zu bleiben. Dieser Gott zeigt sein Interesse an Menschen nicht einseitig.
Der humorvolle evangelische Schweizer Theologe Karl Barth hat dies einmal in prägnante Worte gebracht. Eine fromme Frau, die ihren Mann verloren hatte, kam zu ihm und fragte: "Werden wir im Himmel unsere Lieben wiedersehen?" Karl Barth: "Ja. Aber die anderen auch."

Fürbitten

Gott, Jesus verkündet und zeigt uns dein Entgegenkommen und Interesse an uns Menschen. Wir bitten dich:

Wir bitten dich für alle Menschen, die sich über ihre Beziehungen viel Gedanken machen, es gut meinen, aber es nicht allen recht machen können. Schenke ihnen Kraft

Wir beten für alle, die sich einsam und verlassen fühlen und auf Zuwendung warten. Lass sie Worte und Gesten der Zuneigung in ihrer Umgebung entdecken

Wir beten für die Kommunionkinder und Firmlinge. Schenke ihnen Offenheit für die Botschaft des Evangeliums

Wir beten für alle, die sich ehrlich mit ihrer Schuld auseinandersetzen. Lass sie an die Vergebung bei dir und bei den Menschen glauben und Mut zu einem Neubeginn fassen.

Wir beten für unsere Verstorbenen.
In diesem Gottesdienst denken wir an ............................................
Lass sie bei dir das Fest der ewigen Freude feiern

Darum bitten wir durch Christus unsern Herrn



Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de