Sonne tanken

Predigt zum Lichtmesstag

Bemerkung: Zu Beginn des Familiengottesdienstes haben die Kinder die Krippenfiguren verabschiedet und noch einmal die Botschaft der einzelnen Figuren gehört. Als letzte Figur wurde das Jesuskind verpackt. Als Zeichen, dass Jesus uns Menschen aber im Leben begleiten will und uns Licht auf dem Lebensweg sein möchte, wird eine Jesuskerze auf den Altar gestellt.

In einer früheren Pfarrei kam jedes Jahr im Januar ein Mann auf mich zu und verabschiedete sich für 14 Tage immer mit den gleichen Worten: „Herr, Pfarrer, ich geh mal wieder Sonne tanken. Das tut mir so gut.“ Und für zwei Wochen verschwand er in südlichere Gefilde und genoss Sonne pur. „Hoffentlich reicht der Tank recht lange“, gab ich ihm als Wunsch dann mit auf den Weg.

Das wissen wir alle: Lange düstere Zeiten mit kalten Nebeln und schaurigen Regenperioden können Menschen auf das Gemüt gehen. Licht, Sonne tun einfach Geist und Gemüt gut. Unser Kaplan Blaise erzählt gerne, dass nach Umfragen die glücklichsten Menschen trotz oft armer Lebensumstände in seinem Heimatland Nigeria leben und meint: „Das ist die Sonne und die Wärme, die Menschen ein heiteres Gemüt schenkt.“

An den Bildern des großen niederländischen Malers Rembrandt fasziniert mich immer wieder sein Spiel mit Dunkelheit und Licht. Auf seinen Weihnachtsbildern geht immer von dem Kind in der Krippe ein Leuchten aus und legt sich auf die Gesichter der umstehenden Menschen und taucht sie in einen besonderen Glanz. Das Licht von der Krippe lacht sie an und lässt Zufriedenheit und Zuversicht ausstrahlen.

Auch in seinem letzten Bild setzt er dieses Stilmittel ein. Der greise Simeon hält ergriffen das Kind auf seinen Armen, und von dem kleinen Jesusknaben strahlt das Licht auf sein Gesicht. Dadurch wollte der alte Maler die Worte des greisen Simeons in Bild und Farbe einfangen: Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern verheißen hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
Es berührt mich, dass gerade dieses ausdruckstarke Bild nach dem Tod von Rembrandt als sein letztes, noch nicht ganz vollendetes Werk auf der Staffelei in seinem Atelier gefunden wurde.

Liebe Kinder, ich lade Euch nun ein, nach vorne zu kommen. Ihr stellt Euch zu einer kleinen Lichterprozession auf. Bevor wir durch die Kirche mit unseren Kerzen ziehen, halte ich einem jeden von Euch die Jesuskerze vor das Gesicht. Lasst den Schein und die Wärme der Kerze auf Euch wirken und lasst Euch von diesem Kerzenlicht sagen: So wie dieses Kerzenlicht möchte auch der Glaube an Jesus einen Glanz in mein Leben bringen, mich mit Wärme anstecken. Und wenn wir dann mit unseren kleinen Kerzen, die wir an dieser Kerze entzünden, durch die Bankreihen gehen, dann wollen wir dadurch auch ausdrücken: Hoffentlich können wir als kleine Lichter etwas von diesem großen Licht der Welt weitergeben und weiterstrahlen.

- Die Kinder singen bei der Prozession das Lied „Tragt in die Welt nun ein Licht -



Pfarrer Stefan Mai

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