Wie soll es weitergehen?

Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Lk 1,1-4)

Einleitung

Wenn ein Staatsmann seine Antrittsrede hält, wenn ein neuer Bürgermeister zu seiner Amtseinführung sein Programm in der Öffentlichkeit vorstellt, wenn ein Bischof bei seiner Amtseinführung in der neuen Diözese oder ein neuer Pfarrer in seiner Gemeinde die erste Predigt hält, dann hören Menschen besonders gut hin und sind auf das Programm gespannt.
Heute hören wir die ersten Worte des Evangelisten Lukas. Er schildert darin, warum er sein Evangelium schreibt. Und wir hören die erste Predigt Jesu, in der dieser sein Programm vorstellt.

Predigt

Eine Sorge treibt mich als Pfarrer am meisten um. Die Sorge: Werden wir den Glauben an die kommende Generation weitergeben können? Wird der Glaube von der kommenden Generation noch als wertvoller Schatz empfunden? Wird er für Menschen in der Zukunft eine Lebenshilfe sein? Und was können wir dafür tun, dass diese Sehnsucht, glauben zu können, nicht verloren geht oder mehr und mehr verdunstet?

Wenn ich in unsere biblischen Urkunden schaue, tröstet es mich, dass diese Frage schon am Anfang des Christentums stand.
Da bittet Paulus flehentlich in einem Brief Timotheus: „Du, mein Sohn, sei stark in der Gnade, die dir in Christus Jesus geschenkt ist. Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, auch andere zu lehren.“ (2 Tim 2,1f)
Und im heutigen Evangelium erfahren wir, aus welcher Sorge heraus Lukas sein Evangelium schreibt: Auch er möchte an Theophilus weitergeben, was er von Jesus gehört hat: „Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“

Ja diese Sorge um die Weitergabe des Glaubens treibt uns um. Was können wir dafür tun, dass Gott nicht in Vergessenheit gerät? Was können wir dafür tun, dass der Traum Jesu von einer menschlicheren Welt in Erinnerung bleibt? Mit dieser Frage martern wir unsere Hirne und finden doch keine rechte Antwort. Vor ein paar Wochen fiel mir eine jüdische Geschichte in die Hände, die mich auf eine neue Denkspur brachte. Die Geschichte erzählt:

Als ein großer jüdischer Geistlicher sah, wie die Juden misshandelt wurden, ging er in den Wald. Er entzündete ein heiliges Feuer und sprach ein besonderes Gebet, in dem er Gott bat, sein Volk zu beschützen.
Und Gott schickte ein Wunder.

Später ging sein Schüler, den Schritten des Rabbis folgend, an dieselbe Stelle im Wald und sagte: Herr des Universums, ich weiß nicht, wie ich das heilige Feuer entzünden soll, aber das besondere Gebet kenne ich noch. Erhöre mich bitte.
Und wieder geschah ein Wunder.

Eine Generation später ging ein anderer Rabbi angesichts der Verfolgung seines Volkes in den Wald und sagte: Ich weiß nicht, wie man das heilige Feuer entzündet, ich kenne auch das besondere Gebet nicht, aber ich erinnere mich noch an die Stelle: Hilf uns, Herr!
Und der Herr half erneut.

Fünfzig Jahre später sprach einer seiner Nachfolger mit Gott: Ich weiß weder, wie man das heilige Feuer entzündet, noch kenne ich das Gebet, und auch den Ort im Wald kann ich nicht finden. Ich kann nur diese Geschichte erzählen und hoffen, dass du mich erhörst.
Und wieder geschah ein Wunder.

(aus Paulo Coelho, die Schriften von Accra S 179f)

Kann ich das glauben und darauf vertrauen? Selbst wenn kommende Generationen die Orte des Glaubens nicht mehr kennen, keinen Bezug zu unseren Kirchen und Gebetsstätten mehr haben, selbst wenn sie die alten Riten nicht mehr verstehen und keine Gebete mehr auswendig kennen, ja selbst wenn sie in Notsituationen nicht einmal ein richtiges „Hilf, uns, Herr!“ über die Lippen bringen, die Erinnerung an Menschen, die das einmal konnten, wird ihnen helfen, dass Gott nicht vergessen wird und auch noch weiter in ihrem Leben wirksam bleibt.

Fürbitten

Der Evangelist Lukas gehört zu den Menschen, die den Glauben an Jesus als großen Schatz an die kommenden Generationen weitergeben wollten. Wir bitten dich:

Für alle, die den Glauben an andere weitergeben wollen: dass sie überzeugende und einladende Worte finden und die Kraft zu einem überzeugenden Lebensbeispiel haben

Für alle, die auf ein hoffnungsvolles und wegweisendes Wort warten: dass sie Menschen begegnen, die sie ansprechen und begeistern

Für alle, die ihren Weg im Glauben gefunden haben: dass sie nicht den Mut verlieren, wenn sie wenig Resonanz finden

Für alle, die in ihrem Christsein müde und kraftlos werden: dass sie im Vertrauen auf dich Halt finden

Für unsere Toten. In diesem Gottesdienst denken wir an..................
Dass sie bei dir finden, woran sie im Leben geglaubt haben.

Lebendiger Gott, viele Menschen haben die Botschaft deines Sohnes von Generation zu Generation weitergegeben. Dafür danken wir dir durch Christus, unsern Herrn. Amen


Pfarrer Stefan Mai

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