Wer ist wichtig?

Predigt zum 2. Adventsonntag 2012 (Lk 3,1-6)

Einleitung

Im Refrain eines modernen Liedes heißt es:

Das Wichtige geschieht nicht unmittelbar
Das Wichtige doch oftmals im Kleinen geschah
Das Wichtige geschieht oft unscheinbar
Das Wichtige im Stillen wunderbar.


Kann ich solchen Worten Glauben schenken?

Predigt

Wer bin ich denn schon? So fragen viele Menschen. Was bewege ich denn auf dieser Welt? Wer nimmt denn schon Notiz von dem, womit ich mich täglich abstrample, worum ich mich Tag für Tag bemühe? Am Ende kommt es auf mich überhaupt nicht an! Was ich denke und sage und tue, das verändert die Welt doch nicht.
Wer die Welt bewegt, das sind die Namen derer, die in der Zeitung stehen. Das sind die Namen von Frauen und Männern, deren Gesichter täglich in den Nachrichten auf den Bildschirmen zu sehen sind. Die Namen der Großen, die Weltpolitik machen: Obahma, Merkel, Seehofer, Mursi, Putin und wie sie alle heißen mögen. Da sind die großen Fußballer, die die Menschen in die Stadien locken. Die Kinder wollen die Namen Schweinssteiger, Özil, Ribery und Messi auf ihren Trikots tragen. Es sind Showmaster und Moderatorinnen von einschlägigen politischen Sendungen, die Meinungen beeinflussen und bilden. Da sind die unbekannten Gesichter, die die Geldflüsse auf dem Erdball regulieren. „Geld regiert die Welt.“ Und in der Kirche ist es am Ende nicht viel anders: Was kann ich mit meinem Einsatz in den Gemeinden schon verändern. Auch da haben die Großen das Sagen wie Papst, Bischöfe, Kardinäle oder höchstens noch die Abteilungsleiter in den verschiedenen Referaten.

Auch das heutige Evangelium scheint sich zunächst vor den Großen der Weltgeschichte zu verbeugen: Gewichtig und feierlich klingt es, wenn der Evangelist Lukas mit den Zeilen anhebt:
Es war im 15. Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius;
Pontius Pilatus war Statthalter von Judäa,
Herodes Tetrach von Galiläa,
sein Bruder Philippus Tetrach von Ituräa und Trachonitis,
Lysias Tetrach von Abilene.
Hohepriester waren Hannas und Kaiaphas.

Da wird die gesamte politische Prominenz vom Kaiser angefangen bis zu den kleinen Landesfürsten aufgezählt. Da werden die höchsten religiösen Autoritäten genannt.

Aber Lukas dreht den Spieß um. Für ihn sind das nur Pappkameraden auf der Weltbühne. Wo alle Welt sagt: Das sind die Männer, die die Welt bewegen, bringt Lukas den Namen des Sohnes eines einfachen Tempelpriesterchens ins Spiel: Johannes. Der tritt nicht in den Schaltzentralen der Macht und in Ehrfurcht einflößenden Tempeln auf, sondern in einer menschenleeren Gegend, wo sich Fuchs und Hase Gut Nacht sagen. Aber Lukas kommt es gerade auf diesen ausgeflippten Unbekannten an. Die großen Männer der Welt und der Religion haben bei ihm nichts zu sagen und zu melden.

Für Lukas ist der Mensch wichtig, an dem sich das Wort Gottes ereignet, der sich gedrängt fühlt, etwas zu sagen, was ihm wichtig ist, was er als seinen Auftrag erkannt hat. Brücken zwischen Menschen zu bauen und Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit Gott die Herzen von Menschen leichter erreichen kann.

Liebe Leser!
Das zentrale Stück unseres Lebens findet laut Evangelium nicht auf den großen Bühnen statt. Das wahrhaft Große geschieht im Kleinen unscheinbar. Und doch hat es seinen Wert und seinen Sinn. Die Dichterin Hilde Domin spricht mir aus dem Herzen, wenn sie sich in einem Gedicht einmal fragt, wozu sie nütze ist. Ihr Gedicht trägt den Titel: „Wie wenig nütze ich bin“

Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.

Die Zeit verwischt mein Gesicht,
sie hat schon begonnen.
Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht der Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau.

Ich war hier.
Ich gehe vorüber
ohne Spur.
Die Ulmen am Weg
winken mir zu wie ich komme,
grün blau goldener Gruß,
und vergessen mich,
eh ich vorbei bin.

Ich gehe vorüber -
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
und auch den Gruß der Bäume im Abend
auf einem Stückchen Papier.

Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere
Laterne an
in den Herzen am Wegrand.



Fürbitten

Herr, unser Gott, vor dir hat jedes Menschenleben seine Bedeutung. Wir bitten dich:

Für die Menschen, die einen großen Namen auf dieser Welt haben und auf die viele schauen.

Für alle, die sich täglich daheim oder in der Arbeit abmühen und trotzdem keine Anerkennung und Wertschätzung erfahren

Für alle, die sich selbst maßlos überschätzen

Für alle, die jegliches Selbstwertgefühl verloren haben

Für unsere Toten: Wir nennen dir die Namen, an die wir heute denken: Es sind...............................................................
und wir wissen auch alle, an die niemand mehr denkt, in deinen guten Händen.

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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