Jesus - einer zum Beißen...zum Kauen

Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis

Ihr wollt doch nur „panem et circenses“, Brot und Spiele, hält der römische Satiriker Juvenal der römischen Gesellschaft zum Beginn des 2. Jahrhunderts vor. Anstatt sich um das Gemeinwohl zu kümmern, so klagt er, wollen die meisten nur „Brot und Spiele“, Bedürfnisbefriedigung und Unterhaltung, Wohlstand und Ablenkung. Anstatt sich zu engagieren, wollen die meisten Menschen nur unterhalten werden. Für mich sind diese alten Worte höchst aktuell. Juvenal könnte diese Worte jederzeit auch an unsere heutige Event-, Freizeit- und Unterhaltungsgesellschaft richten.

Über die Sonntage im August hinweg haben wir Ausschnitte aus dem 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums, der sogenannten großen Brotrede gehört. Zum Verständnis dieses schwierigen Textes ist der Gesamtaufbau wichtig: Am Anfang des 6. Kapitels steht die wunderbare Speisung der Menschenmenge. „Brot und Spiele“, versorgt und unterhalten werden wollen die Menschen und sie wollen Jesus zum Brotkönig machen. Er verweigert sich diesem Denken: Unterhalten werden, sorglos leben, sich etwas leisten können. Dafür möchte er sich nicht missbrauchen lassen. Vielmehr versucht er den nachlaufenden Massen in schwierigen Gedankengängen und in immer wiederkehrenden Gedankenschleifen nahezubringen, dass Menschen im Leben mehr brauchen als das Brot, das ihren leiblichen Hunger stillt. Und schließlich bringt Jesus sich selbst ins Spiel: Er ist dieses Brot, das alle Sehnsüchte erfüllen kann. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ Und dann wird es drastisch. Wortwörtlich heißt es: „Wer mein Fleisch „beißt“ und „kaut“ und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“

Was heißt das anderes als: an diesem Jesus hast du etwas zu beißen, du hast an ihm zu kauen, wenn du dich auf ihn einlässt. Das ist etwas ganz anderes als ihn zum Erfüller deiner Wünsche zu machen. Das heißt: Das Lebensprogramm Jesu ist anspruchsvoll, es ist nicht immer nach meinem Geschmack, ja es ist oft sogar anstößig. Wenn du seine Worte ernst nimmst, da hast du ganz schön daran zu beißen. Das ist nicht nur leichte Kost, das ist oft harte Kost, schwer zu verdauen. Da hast du lange daran zu kauen. Und wenn du diesen Jesus verstehen willst, musst du seine Worte in dir immer wieder wiederkäuen.

Kein Wunder, dass viele Nachläufer aus der Nachfolge aussteigen. So radikal wollen sie sich nicht auf diesen Jesus einlassen. Dieser Jesus schmeckt nur so lange er ihnen passt. Es heißt: „Viele der Jünger, die ihm zuhörten sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?“ Und die Konsequenz ist: „Viele Jünger zogen sich zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.“

Dieses Evangelium stellt eine große Anfrage an uns. Ist Jesus nur recht, solange er mir passt, solange seine Worte mich beruhigen, wie Öl meine Seele schmieren? Oder nehme ich ihn auch ernst, wenn er provoziert, herausfordert, mir Dinge sagt, die mich herausfordern. Ist einer nur Freund, wenn er Dinge sagt, die mir passen. Oder muss ich nicht sagen:

Einen richtigen Freund erkenne ich daran,
dass er mir sagt, was er meint.
Manchmal einfühlsam und sensibel,
manchmal direkt und deutlich, wenn es sein muss!
Einen richtigen Freund erkenne ich daran,
ob er neben seiner Verlässlichkeit und Sympathie auch kritisch ist und ein waches Augen hat,

Liebe Leser,
Jesus stellt auch uns diese Frage: Wollt auch Ihr weggehen?
Ich wünschte mir, dass ich ehrlich mit Petrus antworten kann, wenn ich diesen Jesus mit allen Sinnanbietern, die es auf unserem Markt gibt, vergleiche: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens!“


Pfarrer Stefan Mai

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