Ein Prophet im Burnout

Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (1 Kön 19,4-8)

Elija - sein Name ist zugleich sein Lebensprogramm. Sein Name heißt wörtlich übersetzt: Gott ist Jahwe. Dafür hat er sein Leben eingesetzt, wie ein Wilder gegen die Baalspriester und den königlichen Kult gekämpft und sich scheinbar auch durchgesetzt, sich als der Stärkere erwiesen.
Doch jetzt schlägt seine Begeisterung in Resignation um. Der Prophet, der sich im Eifer für seinen Auftrag verzehrt hat, ist ausgebrannt und ausgezehrt. Er hat nur noch das Gefühl: Es ist einfach zum Davonlaufen. Ich kann nicht mehr, mag nicht mehr, will nichts mehr hören und sehen. Der Prophet verfällt in eine tiefe Depression und flieht in die Wüste, dorthin, wo keine Menschen sind und will nur noch schlafen und sterben. Der Prophet hat Burnout.

Verräterisch ist, warum der Prophet alles satt hat und nicht mehr will und ins Burnout gerutscht ist. Er sagt von sich: „Nun ist genug, Herr. Nimm mein Leben. Denn ich bin nicht besser als meine Väter.“ Elija wollte der bessere sein, besser als die Baalspriester, besser als die eigenen Landsleute. Immer besser sein wollen als die anderen, das kostet eine immense Kraft. Es sich und den anderen dauernd beweisen wollen, immer obenauf sein, das kann über die Kraft gehen und macht auch ein Stück einsam. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, behauptet unsere vom Wirtschaftsdenken geprägte Welt. „Konkurrenzdenken macht auf Dauer kaputt“, behauptet die Elija-Geschichte.

Und wie kommt der Mann im Burnout wieder auf die Beine?
Es heißt: Ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Der, der gefühllos geworden ist, wird berührt, angerührt. Da taucht plötzlich etwas auf, was die Augen öffnet, was aufhorchen lässt. Und es lässt aufhorchen: Das Brot das dem müden Propheten vor Augen steht, ist in einer glühenden Asche gebacken. Soll durch dieses Symbol dem Elija vielleicht vor Augen geführt werden: Auch in der Asche deines Lebens glüht noch eine Glut, ist noch ein Lebensfunke verborgen?
Aber so leicht steht es sich nicht auf, fährt die Elija-Geschichte weiter. Wer wirklich am Boden ist, ist nicht einfach ein immer emporschnellendes Stehaufmännchen. Bei Elija muss der Engel zum zweiten Mal ran und ihn anstoßen und an den noch weiten Weg erinnern.
Die Elija-Geschichte sagt mir: Wenn du am Boden bist und wieder auf die Beine kommen willst, dann brauchst du als erstes die Bereitschaft und die Offenheit, dir überhaupt helfen zu lassen. Es braucht die Einsicht, dass nicht gleich große Wunder geschehen müssen, sondern ganz einfache Dinge wieder neue Perspektiven eröffnen können. Und es braucht vor allem die Geduld guter Menschen, die nicht mit so flotten Sprüchen wie „Kopf hoch - es wird schon wieder“ oder versteckten Vorwürfen: „Komm, stell dich nicht so an!“ daherkommen. Helfende Engel sind auch nicht nur soft, die mit mir im Mitleid versinken, sondern an mir dran bleiben, die mir in meiner Niedergeschlagenheit etwas zutrauen und mich an meine eigenen Kräfte neu glauben lassen.

Liebe Leser,
die Geschichte vom Propheten Elija im Burnout entwickelt keinen psychologischen Therapieplan. Aber sie steckt voll kluger Lebensratschläge:
1) Immer besser sein wollen als die anderen macht auf Dauer kaputt.
2) Wenn du am Boden bist und wieder hochkommen willst, dann braucht es Offenheit, Hilfe anzunehmen.
3) Wenn Menschen dir wirklich helfen wollen, dann brauchen sie Geduld und die Fähigkeit, dich selbst wieder an dich und deine in dir schlummernden Lebenskräfte glauben zu lassen.


Pfarrer Stefan Mai

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