Entdecke deinen Auftrag!

Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis

„Zum Beispiel: Du!“ Wenn jemand diese Wort hört, dann weiß er: Ich bin angesprochen. Ich bin gemeint. Dann setzt einer Hoffnung auf mich.
Das kennen wir vom Sport. Wenn ein Trainer sagt: „Du spielst heute in der Startformation“, dann schenkt er dem Spieler sein Vertrauen.
Wenn sich jemand auf eine Stelle bewirbt und unter mehreren Kandidaten die Zusage erhält: „Du hast die Stelle!“, dann spürt er, man traut mir diese Aufgabe zu.
Wenn jemand in einer Schulklasse zur Klassensprecherin gewählt wird, dann spürt sie: Meine Schulkameraden stehen hinter mir, setzen in mich Vertrauen und erwarten auch, dass ich mich für sie einsetze.

In der Lesung und im Evangelium stehen uns heute zwei Beispiele vor Augen, wo Menschen spüren: Ich bin gemeint. Ich habe einen Auftrag.

Da ist Amos, ein Bauer, Viehzüchter und Maulbeerfeigenzüchter. Er lebt in einer schwierigen Zeit. In Israel kommt Wohlstand auf, aber zugleich herrscht himmelschreiendes Unrecht, vor allem den Armen gegenüber. Der König beschäftigt seine eigenen Propheten, die ihm nach dem Mund reden. Und da spürt dieser Bauer Amos seinen Auftrag. Im Namen Gottes tritt er als Kritiker der Reichen und des Unrechts auf - trotz aller Schwierigkeiten, die das für ihn bringt.

Und im Evangelium sendet Jesus die Zwölf aus. Er gibt ihnen den Auftrag mit auf den Weg, Menschen aus Zwängen zu befreien und Leid zu lindern.

Mir fällt auf: Der Auftrag bei Amos lautet nicht, Prophet zu sein, sondern ist ganz konkret: Rede den Reichen ins Gewissen. Halte ihnen ihr Unrecht vor Augen.
Der Auftrag für die Zwölf lautet nicht, Apostel zu sein, sondern zur Umkehr aufzurufen, Menschen von Ängsten zu befreien und Kranke zu heilen.
Der Auftrag lautet nicht, eine Rolle zu spielen, Prophet oder Missionar zu sein. Der Auftrag lautet, konkrete Dinge zu tun.

Liebe Leser,
Romano Guardini hat einmal gesagt: „Jeder Mensch ist ein einmaliges Wort Gottes, das Gott nur in diesem Menschen ausspricht. Jeder Mensch hat einen einmaligen Auftrag für die Welt, den Gott nur diesem Menschen mitgibt.“

Wenn Sie sich fragen: Was will denn Gott von mir, was ist sein persönlicher Auftrag für mich, hier und jetzt?
Ist es vielleicht der Auftrag, mit meinem ruhigen Gemüt, ein wenig mehr Ruhe und Gelassenheit in eine immer schnellere, hektischere und konkurrenzbesessene Welt zu bringen? So wie es von dem Theologieprofessor Hermann Gunkel hieß: Wenn der Hermann im Raum ist, dann macht sich Ruhe und eine wohlwollende Atmosphäre breit.
Ist es vielleicht der Auftrag, mit meinem Gottvertrauen, das mir geschenkt wurde, eine feste Schulter für Menschen zu sein, die immer alles gleich schwarz sehen?
Ist es vielleicht der Auftrag, mit meinem wachen Geist Fragezeichen zu setzen, auf gefährliche Entwicklungen hinzuweisen, wo alles nur gedankenlos hingenommen wird?
Ist es vielleicht mein Auftrag mit meinem Sinn für Humor, in verbissenen und angespannten Situationen für einen Lacher zu sorgen, der hilft, wieder vernünftig miteinander umzugehen?

„Jeder Mensch ist ein einmaliges Wort Gottes, das Gott nur in diesem Menschen ausspricht. Jeder Mensch hat einen einmaligen Auftrag für die Welt, den Gott nur diesem Menschen mitgibt.“

Erahnen Sie, was Ihr einmaliger Auftrag ist?


Pfarrer Stefan Mai

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