Was Gemeinschaft zerstört

Predigt zum 10. Sonntag im Jahreskreis (Gen 3,1-19)

Wer meint, die Erzählung von Adam und Eva sei eine historische Reportage vom Anfang der Welt, der verbaut sich den Zugang zu dieser alten Geschichte. Diese Geschichte will kein Tatsachenbericht sein. Sie will erklären, warum eine gute und paradiesische Schöpfung, warum die Harmonie zwischen Menschen und das Verhältnis zu Gott aus dem Lot geraten kann. Die Geschichte vom Sündenfall ist keine Geschichte für naive Gläubige. Sie ist ein psychologisches Meisterstück, das tiefsinnig in Bildern und Symbolen von uns Menschen erzählt. Sie erzählt davon, wie wenig es braucht, eine Gemeinschaft zwischen Menschen und ein gutes Verhältnis zu Gott zu zerstören.

Es braucht nicht viel - und schon ist alles durcheinander:
Ein paar Übertreibungen, eine falsche Behauptung, ein falsches Versprechen oder das Abschieben von Verantwortung:

Meisterhaft wird erzählt, wie die Schlange das Gespräch mit der Frau eröffnet, mit einer hinterhältigen Frage, einer Übertreibung: Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen? Die Frau hat es noch im Ohr: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen. Nur vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen! Sie stellt es richtig: nur von dem in der Mitte nicht. Aber flugs fügt sie ihrerseits eine kleine Übertreibung hinzu: Wir dürfen nicht einmal dran rühren. Und schon gerät sie auf die schiefe Bahn.

Nun geht die Schlange zum Angriff über: Sie behauptet jetzt: Gott gönnt euch euer Glück nicht. Er engt eure Freiheit ein und legt euch Fesseln an, die nicht berechtigt sind. Nehmt euer Glück doch lieber selbst in die Hand, anstatt euch Grenzen einreden zu lassen! Und sie macht ein falsches Versprechen: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf. Ihr werdet sein wie Gott!

Doch diese angebliche Freiheit bringt Zerstörung. Den Menschen gehen die Augen auf. Aber in einem ganz anderen Sinn: Anstelle des erhofften Herrgott-Spielens sehen sie sich plötzlich nackt und erbärmlich. Und auch das Verhältnis untereinander ist gestört. Sie schämen sich voreinander.

Adam, der Mensch, will sich aus der Affäre ziehen. Er schiebt die Schuld auf die Frau: Die war´s! Noch mehr! Er versucht sogar Gott ein Stück Verantwortung zuzuschieben: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir vom Baum gegeben! Keine Spur mehr vom Glück und der großen Dankbarkeit für das Geschenk der Partnerschaft: Endlich Bein von meinem Bein!

Und die Frau schiebt ihrerseits die Schuld weiter. Die war´s, die böse Schlange. Das große Verschiebespiel, das wir Menschen so gut beherrschen. Wenn das Kind einmal in den Brunnen gefallen ist, will keiner dafür verantwortlich sein.

Liebe Leser,

Es braucht nicht viel und schon ist alles durcheinander:
Ein paar Übertreibungen - eine falsche Behauptung - ein falsches Versprechen - die war´s - der war´s.

Kennen Sie dies nicht auch aus Ihrem eigenen Leben?


Pfarrer Stefan Mai

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