Städtepartnerschaftstreffen in Gerolzhofen am 20. Mai 2012

Einleitung

Pfarrer Mai
Ganz herzlich darf ich alle Gäste, die aus Elek, Mamers, Scarlino und Rodewisch nach Gerolzhofen gekommen sind, zusammen mit den Gerolzhöfern zu diesem ökumenischen Festgottesdienst begrüßen. Ich tue dies auch im Namen meines evangelischen Kollegen Jean-Pierre Barraud.
Die Jubiläumsfeier 40 Jahre Städtepartnerschaft Mamers, 20 Jahre Städtepartnerschaft Rodewisch und 10 Jahre Städtepartnerschaft Scarlino fällt in den Monat Mai.
Der Monat Mai zaubert in der Natur ein buntes Bild. Da wechseln sich das Gelb der Rapsfelder, das Rosarot der Apfelbäume, das saftige Grün der Felder, das zarte Grün der Laubwälder ab. Gott hat die Vielfalt in die Natur hineingelegt. Gott liebt es bunt!
Gott liebt es auch unter den Menschen bunt, die verschiedenen Haut- und Haarfarben und die verschiedensten Sprachen und Dialekte, die die Menschen sprechen.
Bunt ist es auch heute in Gerolzhofen. Menschen aus Elek, Scarlino. Mamers, Rodewisch und Gerolzhofen sind zusammengekommen. Bunt soll es auch jetzt in unserem Gottesdienst zugehen. Ganz bewusst singen wir gleichzeitig in unseren vier Sprachen das in allen Ländern bekannte Lied „Lobe den Herren“.

Gemeinsames Lied: Lobe den Herren

Pfarrer Barraud
Verschiedene Menschen - verschiedene Sprachen –
Das bedeutet Buntheit und Vielfalt zugleich!
Ganz bewusst haben wir uns heute im Kirchenraum unter einem roten Kreuz versammelt. Dieses verbindende Zeichen unseres Glaubens liegt über uns in all unserer Verschiedenheit.
Wie ein Pluszeichen schwebt das Zeichen des Kreuzes über uns. Es will uns deutlich machen: Verständigung unter verschiedenen Menschen ist möglich, wenn sie mit einer positiven Voreinstellung aufeinander zugehen.
Gemeinsam wollen wir unter diesem Zeichen der Verbundenheit unseren Gottesdienst feiern: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Die rote Farbe erinnert uns an eine zentrale biblische Geschichte, die von einer großen Völkerverständigung erzählt. Doch dazu später.

Im Kyrie wollen wir nun unseren gemeinsamen Herrn anrufen.

Predigt

Pfarrer Mai
Schon lange haben wir uns alle an den Euro gewöhnt. Die Urlauber genießen es, nicht bei jeder Reise nach Italien, Frankreich oder Ungarn Geld wechseln zu müssen. So eine Einheitswährung ist schon was feines und bequemes, auch wenn sie zur Zeit den Finanzexperten große Stirnfalten macht. Der Euro verbindet. So mancher von uns hat Eurogeldstücke aus einem anderen Land in seinem Geldbeutel, ohne es zu merken.

Schön wäre es, wenn jeder den Gottesdienst und die Predigt heute auch in einer Art Einheitssprache verstehen könnte. Wenn wir eine Woche vor dem Pfingstfest ein echtes Pfingsterlebnis unter ungarisch-deutsch-italienisch-französisch-fränkisch-sächsisch-sprechenden Menschen erleben dürften wie damals in Jerusalem unter dem großen Völkergemisch. Ein jeder, so heißt es, konnte die Predigt der Apostel verstehen. Aber ist damit wirklich gemeint, dass ein jeder zu einem Sprachengenie wurde und ohne Vorbildung die fremde Sprache einfach verstehen konnte?

Ich glaube, die Pfingstgeschichte will uns etwas anderes deutlich machen. Sie will uns sagen: Die Glaubenssprache ist keine Einheitssprache. Sie wird von Anfang an vielsprachig und vielstimmig weitergegeben. Und wir verstehen sie dann, werden hellhörig, leben und blühen auf, wenn jemand die Sprache findet, die uns zu Herzen und unter die Haut geht. „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. Das Evangelium in unserer Muttersprache hören, heißt das nicht: Es in einer Sprache verstehen, die uns vertraut ist:

Beim Nennen der verschiedenen „Sprachen“ zeigen Kinder/Konfirmanden jeweils die Plakate mit dem Stichwort in vier Sprachen

Pfarrer Barraud
Die einen sind empfänglich für die Sprache des Wortes.
Sie lassen sich vom Evangelium ansprechen durch die Lektüre der Bibel, durch gute Gedanken eines Buches oder einer Predigt, durch Vorträge oder Glaubensgespräche. Der Titel der vorhin gehörten Kantate lautete: „Erhalt uns Herr bei deinem Wort.“ Das bedeutet doch, dass dem Wort eine ganz zentrale Bedeutung zukommt. Martin Luther hat dies mit dem sola scriptura-Prinzip festgehalten.
Allein die Schrift, das vertextete Wort Gottes sollte und konnte für ihn zur Richtschnur des Lebens und Glaubens werden.
Die Sprache des Wortes hat darum zu Recht nicht nur in der evangelischen Kirche einen hohen Stellenwert. Wenn Kirche etwas zu sagen hat, dann muss sie immer auch zugleich Kirche des Wortes sein. Denn sie gründet sich im Wort der Bibel und in der mündlichen Weitergabe. Das Sprachspiel mit den Worten ist und bleibt eine Herausforderung für den Glauben. Denn viel wird heute geredet aber wenig klingt in uns weiter und berührt uns innerlich.
Wie schön ist es jedoch, wenn man ein Wort liest oder hört, dass das, was man fühlt und denkt, genau auf den Punkt bringt.

Pfarrer Mai
Die anderen sind empfänglich für die Sprache der Bilder und der Musik
Bilder bilden. Bilder bringen Farbe in die Räume, beflügeln die Gedanken, regen die Phantasie an. Ich habe ewig die Bilder aus meiner Heimatkirche im Kopf. Sie begleiten mich bis heute. Wie oft habe ich sie während der Gottesdienste angeschaut. Wie häufig gehen die Blicke zu den Bildern und regen Gottedienstbesucher zu eigenen Gedanken an, wenn die Predigt nicht anspricht, wenn die Sprache kirchlicher Texte schon zu einer Fremdsprache geworden ist.
Auch die Sprache des Singens ist für manche zur Muttersprache des Glaubens geworden. Ein lebendiges Singen und mitreißendes Musizieren beflügelt die Seele. „Mehr als Worte sagt ein Lied“, singen wir in einem bekannten Kirchenlied und drücken damit aus, dass uns das Evangelium durch die Sprache des Gesangs und der Musik oft tiefer berührt als durch bloßes Reden.

Wir wären keine Menschen, wenn wir nicht alle das Evangelium in der Sprache der Nächstenliebe, der Hilfsbereitschaft verstehen würden. Ein Zeichen der Verbundenheit mit einer neuzugezogenen Familie, ein Zeichen der Aufmerksamkeit für ältere und kranke Menschen, bescheidenes Zuhören-Können, wenn jemand sich seine Sorgen und Probleme von der Seele reden will, eine finanzielle Hilfe für eine alleinerziehende Mutter, die nicht mehr weiter weiß - „Das ist die Sprache, in der wir das Evangelium verstehen“, sagen viele.

Pfarrer Barraud
Heute dürfen wir die Sprache des Feierns und der Gemeinschaft als Muttersprache des Glaubens erleben, in der gegenseitigen, herzlichen Begegnung in den Gastfamilien, im Interesse aneinander, in den vielen Kontakten, die in den letzten Jahrzehnten unter den Partnerstädten entstanden sind, aber auch durch die Beziehungen, die über Jahre hinweg in unseren Kirchengemeinden entstanden sind.

Von Herzen wünschen wir heute einem jeden, der diesen Gottesdienst mitfeiert, dass er oder sie von der Vielfalt der Glaubenssprachen angeregt wird. So wie es mehrere Sprachen gibt, die gesprochen werden, so gibt es auch im Glauben mehrere Sprachen. Jeder Mensch hat seine eigene Muttersprache, um sich auszudrücken und dennoch weiß auch der, der selbst Fremdsprachen spricht, um die Vielfalt der andere Sprachen und Dialekte und deren Ausdrucksmöglichkeiten.
Das Evangelium teilt sich auf ganz unterschiedliche Sprachweisen mit: Jede und jeder muss herausfinden in welcher Sprache er oder sie das Evangelium besonders gut versteht.
Das kann in der eigenen Sprache sein, aber auch die anderen Sprachformen haben ihren besonderen Reiz und ihr je eigenen Ausdrucksmomente.


Pfarrer Stefan Mai

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