Auf Augenhöhe

Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit (Apg 10,25-26.34-35.44-48)


Einleitung

Wenn wir uns hoffnungslos überfordert fühlen und meinen, da wird zu viel, ja fast unmenschliches verlangt, kommen uns manchmal die Worte über die Lippen. „Ich bin auch nur ein Mensch!“
Mit diesem Satz „Ich bin auch nur ein Mensch“ hoffen wir auf Einsicht beim anderen, dass unsere Kraft für die Bewältigung von Aufgaben begrenzt ist und sie nicht in uns unerfüllbare Erwartungen setzen.
„Auch ich bin nur ein Mensch“, diese Worte rutschen Petrus in der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte heraus. Aber in einem etwas anderen Sinn.


Predigt

Bei unserer Krankenseelsorge-Ausbildung vor über 30 Jahren an den Heidelberger Universitätskliniken riet uns der bekannte Klinikseelsorger Josef Mayer-Scheu: „Wenn Ihr an ein Krankenbett kommt und mit einem Patienten in ein Gespräch kommt, dann bleibt nicht stehen. Bedenkt, wie das auf einen Kranken wirkt: Ihr als Gesunde steht einfach da und der Kranke muss zu euch aufschauen und ihr redet von oben auf ihn herab. Fragt, ob ihr euch auf einen Stuhl ans Bett setzen dürft, damit ihr auf gleicher Augenhöhe mit dem Kranken sprechen könnt!“

Die Szene der heutigen Lesung aus der Apostelgeschichte berührt mich. Da kommt der große Missionar Petrus in das Haus des heidnischen Hauptmanns Kornelius. Kornelius wirft sich aus Ehrfurcht vor Petrus nieder. Doch Petrus richtet ihn auf und es kommen ihm die Worte über die Lippen: „Steh auf, auch ich bin nur ein Mensch!“

Modellartig erzählt der Evangelist Lukas in dieser Korneliusgeschichte von einer gelungenen Mission, wie ein Mensch für einen Menschen zum Glaubensvermittler werden kann. Dies geschieht nicht von oben herab, indem ein Christ meint, er hätte einen höheren Wert- oder Wissensstatus und müsste den religiös Interessierten belehren. Mission wird nur gelingen, wenn Menschen sich auf gleicher Augenhöhe begegnen.
Mit einem Schuss Ironie erzählt Lukas, wie Petrus sich dann eins abpredigt und Kornelius in die Grundlehren des Glaubens einzuführen versucht. Doch da funkt Gott dazwischen und schickt schon während seiner Predigt den heiligen Geist über Kornelius. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass es Gott selbst ist, der die Herzen von Menschen bewegt, der in ihnen Interesse für den christlichen Glauben aufbrechen lässt und diese schon vor der Taufe zu Christen werden lässt. Das entscheidende bewirkt Gott selbst, der Glaubensvermittler muss wissen: „Ich bin nur ein Mensch!“

Vor kurzem erläuterte der Erfurter Bischof Joachim Wanke seine Vorstellung von Mission. Er meinte: „Der Gottesglaube ist keine Ware. Mission meint nicht Werbung für einen Verein religiös interessierter Leute. Sie versteht sich vielmehr als eine Art Hebammendienst beim Entstehen und Wachsen eines neuen, österlichen Lebens, das nur Gott schaffen kann. Die Kirche und jeder einzelne Christ kann aber für andere zum Geburtshelfer dieser Neugeburt werden.“ (CIG Nr. 20/2012, S.214)

Wo Menschen in dieser Art zu Missionaren werden, da entstehen menschliche Beziehungen, die bleiben. Die Korneliusgeschichte endet mit den Worten: „Und sie baten Petrus, einige Tage zu bleiben.“


Fürbitten

Gott, du bist es der uns Menschen kennt und unsere Herzen bewegt. Wir bitten dich:

Bewege die Herzen der Getauften, damit sie in Bescheidenheit und Glaubwürdigkeit lebendige Zeugen des Glaubens sein können

Belebe die Verantwortlichen in Gesellschaft und Gemeinwesen in ihrem Einsatz für die Schwachen und die keine Stimme in unserer Gesellschaft haben

Begleite alle, die sich von der Kirche und ihrem Glauben an Jesus Christus abwenden und anderswo nach Sinn und Halt für ihr Leben suchen

Bestärke alle, die sich um eine Erneuerung ihres eigenen Glaubens bemühen und dadurch andere motivieren, ihren Glauben an Christus wiederzuentdecken

Nimm die Verstorbenen auf in deine Wohnungen und lass sie in deiner Nähe bleiben. In diesem Gottesdienst denken wir an.......

Darum bitten wir durch Christus unsern Herrn.



Pfarrer Stefan Mai

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