Predigt zum Waldgottesdienst auf dem Zabelstein 2012

Das Jahr 2011 hatten die Vereinten Nationen als „Jahr der Wälder“ ausgerufen. Sie wollten in diesem Jahr auf die Bedeutung der Wälder aufmerksam machen. Auf ihre Bedeutung als Kohlenstoffspeicher, der viel effizienter ist, als diesen unter der Erde zu verpressen. Auf die Bedeutung für das Klima, auf die Bedeutung als Lebensraum. Wenn man allein sich die Tatsache vor Augen führt, dass 2/3 der biologischen Arten, die es auf unserer Erde gibt, im Wald leben, spricht das allein Bände.
In diesem Zusammenhang tauchte auch oft das Wort „Nachhaltigkeit“ auf. Jenes Wort, das zur Zeit in der Politik direkt als Zauberformel beschworen wird. Die „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde, sei's im Nachdenken über Natur und Umwelt oder im Bereich der Wirtschaft.
„Nachhaltig“, dieses „früher eher unauffällige Beiwort“ klebt als „Qualitätsausweis an allem, was einen Qualitätsausweis benötigt“ und hat das Potential, „ökologisch“ als „Allzweck-Gutvokabel“ abzulösen, konstatierte das „Lexikon der Sprachverirrungen“ bereits im Jahr 2007.

Auch in unserer Steigerwaldgegend wird dieses Wort mit dem geplanten Nachhaltigkeitszentrum in Handthal rauf und runter beschworen. In der Tat stammt dieser Begriff Nachhaltigkeit aus der Waldwirtschaft. Was damit gemeint ist, ist schon über 400 Jahre alt.

Vor 400 Jahren waren die Wälder in Deutschland auf weniger als die heutige Waldfläche zurückgegangen. Man brauchte Ackerfläche und holzte wie wild und rücksichtslos ab. Die kursächsische Forstordnung formulierte Im Jahr 1560 erstmals das „Prinzip der Nachhaltigkeit“. Es lautet ganz einfach: nicht mehr Holz zu benutzen, als in den Wäldern auf Dauer nachwachsen kann.
Dieser Beschluss von damals bedeutete eine einschneidende Korrektur. Dieser Beschluss, die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften, war wie ein Generationenvertrag: Künftige Generationen sollten denselben Nutzen aus dem Wald ziehen können wie die jetzige. Diesem Beschluss verdankt Deutschland noch heute, das 1/3 seiner Gesamtfläche eine grüne Lunge ist und aus Wald besteht.

Der Jude Matt Biers-Ariel, Dozent an der hebräischen Universität, hat vor zehn Jahren eine Geschichte „Salomo und die Bäume“ geschrieben, die jüdischen Kindern das Prinzip Nachhaltigkeit nahebringen und sie inspirieren will, jährlich zu Beginn des Frühjahrs gefeierten „Neujahrsfest der Bäume“ selbst Bäume zu pflanzen, Mittlerweile ist dieser Brauch im Staat Israel zur Tradition geworden. Die Geschichte „Salomo und die Bäume“ erzählt:

Der weise König Salomo zog als junger Prinz die Gesellschaft der friedvollen Bäume dem geschäftigen Leben in der Stadt vor. Er ging oft in den Wald und lernte die Sprache der Tiere. Salomo liebte den Wald und der Wald liebte ihn. Zu Beginn des Frühjahrs lauschte Salomo, an seinen Lieblingsbaum gelehnt, wie das Wasser aus seinen Wurzeln in die durstigen Äste emporstieg. Das war für ihn die schönste Musik.
Als Salomo König wurde, baute er als erstes den Tempel in Jerusalem. Pausenlos war er beschäftigt, musste überall anwesend sein, sich mit seinen Beratern besprechen und Entscheidungen treffen. Zeit, seinen geliebten Wald zu besuchen, blieb dem König nicht. In den ersten Frühlingstagen jedoch wurde Salomos Sehnsucht nach Bäumen und Tieren übermächtig.
Im Schein des Vollmonds macht der König sich auf den Weg. Früh am Morgen nähert er sich dem Wald. Doch was ist geschehen? Kein einziger Vogel begrüßt ihn, keine Eidechse huscht durch die Blätter. Absolute Stille. Und nicht nur die Tiere sind nicht da, auch alle großen Bäume sind weg, nur einige Schösslinge hier und da, sind vom Wald geblieben. Salomo rennt. Sollte auch sein Lieblingsbaum gefällt sein? Er findet den riesigen Stumpf. Sein Freund ist tot, der Wald zerstört. Salomo weint und weint, bis der Ärger seine Augen trocknet. Die, die den Wald zerstört haben, sollen bestraft werden.
Nach Jerusalem zurückgekehrt begann er mit der Suche nach dem Schuldigen. „König, Ihr habt uns den Befehl gegeben, den Tempel zu bauen und dafür brauchten wir viel Holz. Ihn zu erbauen und zu schmücken dient nun das Holz der Bäume“. „Wahrlich, die Bäume starben für ein edles Ziel“, muss Salomo eingestehen, erkennt aber auch, dass er der Verursacher des riesigen Holzschlags war und es nun an ihm ist, den Wald wieder zu beleben. Er sammelt Samen und Zapfen, züchtet Schösslinge in seinem Palastgarten und verpflanzt sie ein Jahr später in den Waldboden.
Fortan pflanzt Salomo an jedem ersten Tag im Frühling weitere Bäume; nach fünf Jahren kommen die Vögel zurück, nach 20 Jahren ist ein junger Wald gewachsen.
Das Volk Israel sah, wie sein geliebter König Bäume pflanzte, und fuhr nach seinem Tod damit fort – bis zum heutigen Tag, auf dass die Wälder ewig leben.
Liebe Leser,
König Salomo hat erkannt: Auch edle Ziele können zerstörerische Folgen haben. Und diese Folgen müssen klar mitbedacht werden und Gegenrezepte eingeleitet werden. Die Botschaft dieser Geschichte ist doch die: Wenn du willst, dass die Natur - und das gilt auch für unsere Gesellschaft und die ganze Weltengemeinschaft - im Gleichgewicht bleiben soll, wenn du verantwortlich und nachhaltig handeln willst, darfst du dir nicht mehr nehmen als du zu geben bereit bist. Und du darfst nicht mehr Nutzen aus Dingen ziehen als wie du bereit bist, dich einzubringen.

Eine so einfache Lebensregel, aber welch große Aufgabe!


Pfarrer Stefan Mai

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