Ostern heißt: in die Zukunft gehen – trotz allem

Predigt in der Osternacht 2012 (Mk 16,1-8)

Einleitung am Feuer

Wer nachts unterwegs ist, braucht Licht, um seinen Weg zu finden. Selbst bekannte Waldwege können in der Nacht zum größten Abenteuer werden. Wer in der Finsternis seinen Weg finden will, braucht Licht.
Die Osternacht inszeniert diese Wegweisung durch das Licht. In der dunklen Kirche schauen wir auf eine kleine Flamme. Wir hören auf den Ruf: Lumen Christi. Licht Christi. Und antworten: Deo gratias. Gott sei Dank! Wer auf den dunklen Wegen seines Lebens den Weg finden will, muss auf dieses Licht schauen.

Einführung in die Lesungen

„Der Weg wächst unter den Füßen“, so lautet ein bekanntes Wort des Dichters Reinhold Schneider. Wer etwas Schweres durchmacht, ist wie gelähmt und weiß oft gar nicht, wie es weitergehen soll.
Die Lesungen der Osternacht erzählen von mutigen Aufbrüchen in solchen Situationen: vom Weg der Israeliten durch das Meer. Vom Weg Abrahams in eine völlig ungewisse Zukunft.
Würden die Israeliten stehen bleiben, wäre es ihr Grab. Würde Abraham zurückkehren, hätte er nie eine so befreiende Gotteserfahrung gemacht.
„Der Weg wächst unter den Füßen“. Nur wer sich auf den Weg macht, wird das erfahren können.

Predigt

Wenn man zum Grab geht, hat man gewöhnlich ein Täschchen dabei, zumindest Frauen. Da ist das Allerwichtigste drin: Streichhölzer, eine oder zwei Grablichte, vielleicht auch eine fürs Nachbargrab, ein Fläschchen mit frischem Weihwasser aus der Kirche. Und wenn die Hacke nicht hinter dem Grabstein steht, ist auch ein kleiner Dreizack dabei.
Auch die Frauen des Evangeliums haben etwas dabei, als sie in aller Morgenfrühe zum Grab gehen. Auch ein Fläschchen. Es ist mit wohlriechendem Öl gefüllt. Besser würden wir sagen: Teuerstes Parfum. Damit wollen sie den Leichnam Jesu behandeln, damit er einen guten Duft ausstrahlt und man das Gefühl hat: Er lebt noch. Sie können einfach noch immer seinen Tod nicht begreifen. Und sie können ihn auch nicht loslassen. Es ist ein Liebesdienst, der noch einmal alle Erinnerungen an diesen Menschen hochkommen lassen soll.
Und sie haben noch etwas dabei: Sorgen. „Wer wird uns den Stein vom Grab wegwälzen?“ Können wir das alleine bewältigen? Das kennen heute Grabbesucher auch: Auf dem Weg zum Grab gehen einem Fragen durch den Kopf: Wie werden wir mit unseren Problemen fertig, wenn er nicht mehr da ist? Können wir das alleine bewältigen? Wer wird uns dabei helfen?
Aber komisch in der Ostergeschichte: Weder das Parfum kommt zum Einsatz noch die Sorgen bewahrheiten sich. Die Frauen bekommen dafür zwei Aufträge: „Geht – macht euch auf den Weg. Und sagt seinen Jüngern: Er geht euch voraus nach Galiläa. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.“
Die Frauen kommen, um ihre Beziehung zum Toten zu pflegen – und werden gleich wieder weggeschickt:

„Geht!“, heißt es. Bleibt nicht stehen bei der Totenpflege. Geht zurück in euer Galiläa, in euren Alltag. Dorthin, wo ihr mit eurem lieben Verstorbenen immer gelebt habt. Dort begegnet ihr ihm auf Schritt und Tritt. Da erinnert so viel an ihn: sein Lieblingsplatz, seine letzte Zigarettenschachtel, seine Lieblingslektüre. Geht den Spuren nach, wo ihr miteinander gegangen seid, Urlaub gemacht habt. Schaut bewusst an, was ihr miteinander aufgebaut habt.
Und als zweites gibt es bei den Frauen am Ostermorgen einen Auftrag: „Sagt seinen Jüngern!“ Das heißt: Verkriecht euch nicht! Geht auf andere zu. Nehmt Kontakt mit Menschen auf. Tut etwas, was im Sinn des Verstorbenen ist. Führt weiter, was ihm selbst wichtig und heilig war.

Liebe Leser, der gut gemeinte Grabgang der Frauen wird durchkreuzt. Von einem Boten aus dem Himmel. Die Frauen wollen in die Vergangenheit zurückgehen. Aber der Himmelsbote schickt sie in die Zukunft. Die Frauen wollen ihre Trauer pflegen, aber er schickt sie zu anderen Menschen.
Die Frauen im Evangelium folgen seinem Ratschlag nicht. Sie haben Angst davor: „Und sie gingen und flohen vom Grab, Zittern und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten keinem etwas davon. Denn sie fürchteten sich.“
Aber das himmlische Versprechen bleibt: Wag’ den Schritt in die Zukunft. Geh auf andere zu. Wenn du das probierst, kannst du Ostern erfahren.

Mk 16,8: Und sie gingen und flohen vom Grab, Zittern und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten keinem etwas davon. Denn sie fürchteten sich.

Fürbitten

Der Auferstandene hat die Frauen beauftragt, die Osterbotschaft zu den Jüngern zu bringen. Wir bitten dich:

– Um österliches Lachen für alle, denen Angst und Trauer die Kehle zugeschnürt hat …
V/A: Wir bitten dich, erhöre uns (vgl. GL 762,7)

– Um österliche Kraft für alle, die am Boden sind und nicht mehr aufstehen wollen …

– Um österlichen Mut für alle, die sich gegen Unterdrückung und Unrecht wehren müssen …

– Um österliche Umkehr für alle, die sich in Hass und Krieg verrannt haben …

Herr Jesus Christus, lass uns von deiner Frohbotschaft ergriffen werden und als österliche Menschen auf andere zugehen.


Pfarrer Stefan Mai

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