Sind Masken wirklich nur Verstecke?

Predigt zum Faschingssonntag

Einleitung

Im antiken Theater traten die Schauspieler immer mit einer Maske auf. Diese hatte einen besonderen Namen: „Persona“. Ich stutze, die alten Römer benutzen für die Maske das Wort „Person“. Wie soll das zusammengehen? Die Person eines Menschen, das wahre Gesicht eines Menschen – und die Maske? Versteckt sich nicht ein Mensch hinter der Maske? Oder kann es sein: In der Maske zeigt sich die Person? Kein leichtes Thema an einem Faschingssonntag.

Predigt

Fasching und Masken gehören zusammen. Hinter Masken kann man sich so schön verstecken, sich anders geben als sonst. Masken geben Narrenfreiheit. Und es ist ein besonderes Gefühl, als Unerkannter durch die Welt zu gehen, während ich andere erkennen kann.

So mancher Prediger greift dieses Thema Masken am Faschingssonntag auf. Und die meisten Predigten dazu laufen nach folgendem Schema ab:
Wir setzen auch im Leben Masken auf und verbergen so unser Inneres. Wir spielen den allzeit Gutgelaunten, um nicht zeigen zu müssen, wie wenig wir uns selbst ausstehen können. Wir spielen das glückliche, harmonische Paar, um anderen zu verbergen, dass unsere Ehe in einer tiefen Krise steckt. Wir spielen den Selbstsicheren und stark Auftretenden und zeigen nicht, wie viel Angst vor unserer eigenen Courage, wie viel Selbstzweifel wir haben. Hinter der Maske der Unnahbarkeit liegt oft eine tiefe Sehnsucht nach Zuwendung und die Angst, wieder verletzt zu werden.
Nein, sagen die meisten Prediger, Menschen trügen Masken und Verkleidungen nicht aus Böswilligkeit oder aus Gemeinheit: "Wir tragen sie, um nicht wirklich erkannt zu werden. Wir tragen Masken und verkleiden uns, um uns zu schützen. Wir möchten eben nicht immer unser Innerstes nach außen tragen, damit uns jeder gleich an der Nasenspitze ablesen kann, wie es uns geht. Manche wunden Punkte wollen wir lieber für uns behalten und nicht wieder aufgerissen haben." Oder: "Wir verkleiden uns, um uns besser darzustellen; um das Unschöne, das, was uns nicht gefällt an uns selbst, in ein besseres Licht zu stellen. Wir verstecken uns, unsere Schwächen und unsere unansehnlichen Seiten."
Und das Ganze endet dann meistens mit dem Appell: Lassen Sie uns die Masken ablegen oder zumindest ein wenig lüften. Im Vertrauen auf den Gott, der uns besser kennt, als wir selbst uns kennen, dem wir nichts vorzuspielen brauchen.

Ganz anders erzählt Siegfried Lenz von Masken. In seinem neuesten Buch „Die Maske“ erzählt er von einem Studenten, der seine Semesterferien beim Großvater, dem Inselwirt, verbringt. Eines Tages finden am Strand einer kleinen Nordseeinsel die Einwohner einen angespülten Container, in dem sich chinesische Tiermasken befinden. Sie probieren die Masken an – und werden andere, sehen sich in einem neuen Licht, erkennen sich und andere in ihrem wirklichen Wesen. Unter dem Schutz der Masken werden Feindschaften beigelegt, Vorurteile vergessen und eine Liebschaft geknüpft. Die Masken verleihen ihren Trägern neue Identitäten und neue Möglichkeiten.
"Die Dorfbevölkerung stellt fest, dass die Maske ihnen eine bestimmte Freiheit verschafft", erzählt Lenz. "Eine Freiheit des Sagens, des Anvertrauens, aber auch eine Freiheit des Zorns, der Wut, der Empörung, die man loswerden kann unter der Maske.“ Hinter den Masken verändern sich auch die Menschen. Sie verbergen sich nicht dahinter, sondern machen sich vielmehr kenntlich und zeigen ihr wahres Wesen. Die Maske hilft mir, aus der Rolle, die mir andere geben oder die ich mir selber gebe, auszubrechen und mein wahres Ich zu leben.

Ich höre hinter der Erzählung die Botschaft heraus: Gib dem Menschen eine Maske und er wird dir die Wahrheit sagen und sein eigentliches Ich zeigen. Eine Maske verrät mehr als ein Gesicht!

Ich weiß nicht, ob Sie dieser provozierenden Botschaft des alten Schriftstellers Siegfried Lenz zustimmen können. Mich lässt sie nicht in Ruhe und ich frage: Welche Maske müsste ich aufsetzen, um mein wahres Gesicht zu zeigen, um ganz echt zu sein. Und christlich formuliert, um so zu sein, wie Gott mich gedacht hat?


Pfarrer Stefan Mai

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