Ein Zauber in seiner Stimme, eine Wärme in seinen Worten ...

Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis (Mk 1,21-28)

Einleitung

"Eines Tages kam einer, der hatte einen Zauber in seiner Stimme, eine Wärme in seinen Worten, einen Charme in seiner Botschaft."
So singt ein beliebtes Lied aus dem neueren geistlichen Liedgut. Wer damit gemeint ist, wissen wir. Der Zimmermannssohn Jesus aus Nazareth, der nie eine Rhetorikschule besucht hat, dessen Worte aber eine ungeheuere Wirkung auf Menschen hatten und bis heute haben. Was wohl das Geheimnis seiner Sprache war, mit Menschen und zu Menschen zu sprechen?
Das heutige Evangelium lässt es uns erahnen.

Predigt

"Die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre; denn er redete wie einer, der göttliche Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten."
Den Menschen gehen die Worte Jesu unter die Haut. Sie spüren: Da redet einer nicht nur nach der Schrift und wie ein Buch. Diese Worte bringen zum Nachdenken, bringen weiter, eröffnen neue Lebensmöglichkeiten, trösten und ermutigen, fordern heraus. Wer hin- und hergerissen ist in seinen Gedanken und Gefühlen, entdeckt durch seine Worte einen neuen Weg.

"Die Menschen waren sehr betroffen von seiner Lehre."
Wenn Menschen unsere Gottesdienste landauf landab besuchen, dann kommen sie doch auch heute in der Hoffnung, dass sie ein Wort hören dürfen, das sie geistig anregt. Selbst im Vatikan hat man es bemerkt, dass viele Predigten in den Gottesdiensten farb- und geschmacklos sind, in den Ohren heutiger Menschen oft nur als fromme Worthülsen empfunden werden, ohne Nährwert fürs Leben und ohne geistige Würze. "Wir müssen dringend in der Kirche das Anstößige, das Anregende wiederfinden," wünschte sich vor kurzem Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des päpstlichen Kulturrats. Und er schlägt vor, dass sich die Verkündiger klarmachen, wie revolutionär sich das Kommunikationsverhalten verändert hat. Und er meint, viele Worte erscheinen dadurch schal und ausgehöhlt, ja geradezu "krank". (CiG Nr. 2/ 2012)

Ich frage mich: Wie müsste die Kirche heute reden, wenn sie wie Jesus damals die Herzen der Menschen heute erreichen will? Was wäre das für eine Sprache, die wieder neugierig macht auf das Wort Gottes und herausfordert?

Es wäre einmal eine Sprache der Überraschung, die Aha-Erlebnisse vermittelt und nicht den Brei wieder umrührt, der schon tausendmal gerührt worden ist. "Du sollst nicht langweilen!" Das ist nach Billy Wilder ein Gebot für jeden Redner.

Als zweites wäre es eine Sprache, die sich vorsichtig an das Wort Gottes herantastet, die Zweifel und Fragen ernst nimmt und nicht so tut, als komme in meinen Worten der Gott der Heerscharen selbst leibhaftig daher. Es wäre eine Sprache, die nicht auf alles fertige Antworten hat und schon gar nicht von oben herunter abkanzelt. "Ein fertiger Christ ist leider oft einer, der andere fertig macht", sagte einmal der frühere Landesbischof Hans von Keler.

Als nächstes wäre es eine Sprache, die einfach und knapp ist. Wie habe ich mich einmal mit einem jüngeren Mitbruder angelegt, der stolz von sich erzählte, dass er stundenlang reden könne, ohne etwas zu sagen. Stellen Sie sich vor: Es gäbe für Prediger das Gebot: Nur, was dir selbst neu aufgegangen ist, nur, was dein eigenes Herz in Bewegung bringt, davon darfst du erzählen. Wie würden da Predigten auf ein Minimum zusammenschnurren.

Und es wäre eine Sprache der Taten. Das bleibt die größte Herausforderung für jedes gesprochene Wort. Dass es im Leben durch Taten abgedeckt ist. "Wir sind nicht unsere Worte. Wir sind nicht unsere Gedanken. Wir sind unsere Taten." Diese Worte sind mir beim Hören einmal unvergesslich geblieben.

Ich predige inzwischen seit dreißig Jahren Sonntag für Sonntag, oft mehrmals in einer Woche. Ich mache mir immer wieder die Worte eines Liedes zum Gebet, das der Aschaffenburger Jugendchor vor 30 Jahren sang:

"Gib mir die richtigen Worte, gib mir den richtigen Ton.
Worte die deutlich für jeden von dir reden, gib mir genug davon.
Worte, die klären, Worte die stören, wo man vorbei lebt an dir;
Wunden zu finden und sie zu verbinden, gib mir die Worte dafür."


Pfarrer Stefan Mai

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