Drei tierische Wünsche

Predigt zum Dreikönigsfest – Ps 72 (Zwischengesang)

Einleitung

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Verhaltensforschung zu einer anerkannten Wissenschaft – mit Konrad Lorenz als Vorreiter. Mir sind noch lebhaft die Bilder in Erinnerung, wie Konrad Lorenz im Teich schwimmt und seine Graugänschen schwimmen ihm als Ersatzmutter hinterher. Man wollte an Tieren Verhaltensmuster studieren, die Aufschlüsse für das menschliche Zusammenleben geben.

So studierte man am Flug der Wildgänse ins Winterquartier Führungsverhalten. Am Ameisenhaufen und an Bienenstöcken Kooperations- und Koordinationsverhalten. Und neuerdings will man an Fischschwärmen, die zu Hunderttausenden eng aneinander schwimmen und nicht aneinanderstoßen, Impulse gewinnen für kluges Stauverhalten.

Die Tiere der Dreikönige bringen ein wenig Exotik in den Krippenzoo hinein. Und auch von ihnen lässt sich Wichtiges lernen.

Predigt

Volkstümlich sprechen wir vom Dreikönigstag. Aber in der biblischen Erzählung ist eigentlich weder von „Königen“ und schon gar nicht von der Zahl „drei“ die Rede. Da heißt es einfach: „Es kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem.“

Dass es „drei“ waren, hat man einfach aus der Zahl ihrer Gaben geschlossen, die sie mitbrachten: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Zu „Königen“ hat man sie gemacht, weil man die Geschichte mit dem Psalmwort verbunden hat: „Die Könige von Tarschisch und den Inseln bringen Geschenke, die Könige von Saba und Seba kommen mit Gaben“ (Ps 72,10).

Schon bald sah man in ihnen die Vertreter der damals bekannten Kontinente: Europa, Asien und Afrika. Im 9. Jahrhundert haben sie die heute noch gebräuchlichen Namen bekommen: Kaspar, Melchior und Balthasar. Alle drei Namen bedeuten nichts anders als „König“ in unterschiedlichen orientalischen Sprachen. In der Kunst des Mittelalters teilte man ihnen auch unterschiedliche Lebensalter zu: Einer wurde zum Greis, einer wurde als Mann in den besten Jahren und einer als Jüngling dargestellt.

Und schließlich ordnete man den drei Königen aus Europa, Asien, und Afrika unterschiedliche Tiere zu: das Pferd dem Europäer, das Kamel dem Vertreter Asiens und den Elefanten dem Schwarzen.

Dem Elefanten wird ein ungeheueres Erinnerungsvermögen nachgesagt. Er kann sich über Jahrzehnte die wichtigen Wasserquellen in den Steppen merken. Das Kamel ist ein wahres Wunder des Durchhaltenvermögens: Über Wochen hinweg kommt es in der Wüste ohne Wasser aus; es lebt allein aus seinem Speicher. Und das Pferd begeistert durch seine majestätische Eleganz.

Diese drei Tiere vor Augen möchte ich Ihnen heute am Dreikönigstag einfach einmal drei „tierische Wünsche“ mit auf den Weg geben.

1. Ich wünsche Ihnen mit dem Elefanten, dass markante Ereignisse dieses Jahres Ihnen fest ins Gedächtnis eingeschrieben bleiben.

2. Ich wünsche Ihnen das Durchhaltevermögen des Kamels in Durststrecken und schwierigen Lebensphasen.

3. Ich wünsche Ihnen mit dem Pferd die Freude am Schönen, Eleganten und Majestätischen, das uns über manchen grauen Alltag erhebt.


Pfarrer Stefan Mai

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