Tausend Kraniche - oder das Mädchen Sadako Sasaki

Predigt zum Neujahr 2012

Einleitung

Im asiatischen Raum werden die Jahre nach Tieren benannt. Da gibt es das Jahr des Schweines, das Jahr des Hundes, das Jahr der Schlange, Das Jahr des Affen u.s.w.
Über die Weihnachtstage haben wir uns Botschaften von Tieren an der Krippe sagen lassen. Auch heute am 1. Januar ist der Aufhänger für die Predigt ein Tier: ein Vogel, der im asiatischen Raum mit der Thematik des heutigen Weltfriedenstages in Verbindung steht.

Predigt

Sadako war zwei Jahre alt, als die Bombe über Hiroshima abgeworfen wurde. Sie überlebte den Abwurf am Ende des zweiten Weltkrieges 1945 - scheinbar ohne Schaden.
Aber 10 Jahre danach brach die tödliche Strahlenkrankheit aus. Da begann sie, Kraniche zu falten. Denn in Japan gibt es eine alte Legende. Sie besagt, dass dem, der tausend Kraniche faltet, ein sehnlicher Wunsch in Erfüllung geht. Und Sadako hatte nur ein Ziel vor Augen: tausend Kraniche. Denn ihr größter Wunsch war, geheilt zu werden. Auch, als sie ins Krankenhaus musste, faltete sie weiter. Ihre Kraft nahm jedoch zuhsehends ab. Zuletzt schaffte sie nur noch einen Kranich pro Tag. 1956 starb Sadako. 644 Kraniche hatte sie gefaltet. Mehr schaffte sie nicht.
Auf dem Sterbebett hielt sie ihren letzten Kranich in der Hand und sagte mit leiser Stimme: „Ich schreibe Frieden auf deine Flügel, und du bringst ihn in die ganze Welt.“
Die Geschichte der Sadako wurde in Japan sehr schnell bekannt und rührte die Herzen der Menschen. Andere Kinder übernahmen, was Sadako nicht mehr konnte, und falteten Kraniche. Im Todesjahr von Sadako waren es sogar Millionen von Kranichen.
Am 5. Mai 1956, dem Tag der Kinder, kamen Kinder mit ihren Kranichen aus allen Teilen Japans nach Hiroshima und legten ihre Kraniche an das Denkmal, das im Friedenspark von Hiroshima den Kindern gewidmet ist, die beim Abwurf der Bombe ums Leben gekommen waren.
Am Fuß des Denkmals sind die Worte eingemeißelt: Dies ist unser Ruf, das ist unser Gebet: Frieden in der Welt zu schaffen.

Liebe Leser,
die katholische Kirche feiert immer am 1. Januar den Weltfriedenstag. Ähnlich wie auf dem Denkmal von Hiroshima will auch dieser Tag in die Welt rufen: Dies ist unser Gebet: Frieden für die Welt zu schaffen.
Die Kraniche am Denkmal von Hiroshima erinnern an das Mädchen Sadako Sasaki und ihren sehnlichsten Wunsch nach Gesundheit. Wenn man Sie, liebe Leserinnen und Leser, fragen würde: Welchen sehnlichsten Wunsch für dieses Neue Jahr würden Sie auf die Flügel Ihres Kranichs schreiben?

Fürbitten

Herr, unser Gott, wir feiern heute am ersten Tag des Neuen Jahres den Weltfriedenstag. Lass dieses Jahr ein Jahr des Friedens werden und hilf uns, den Frieden täglich neu zu buchstabieren:

L1: F wie Freude: Wo Verbissenheit und Sturheit herrschen, kann keine entspannte Atmosphäre entstehen.
L2: Deshalb bitten wir dich um Freude für alle, die hart geworden sind.

L1: R wie Respekt: Wo Achtung vor dem andern fehlt, kann kein wirkliches Friede wachsen.
L2: Deshalb bitten wir dich um Respekt für alle, auf die andere herabschauen.

L1: I wie Interesse: Wo Gleichgültigkeit die Oberhand hat, entstehen keine Beziehungen.
L2: Deshalb bitten wir dich um Interesse und Anteilnahme für alle, von denen sich andere distanzieren.

L1: E wie Ehrlichkeit: Wo einer den anderen betrügt, hintergeht oder ausspielen will, ist kein Vertrauen möglich.
L2: Deshalb bitten wir dich um Ehrlichkeit für alle, die nur ihren Vorteil sehen.

L1: D wie Dialogbereitschaft: Wo keine guten Gespräche zustandekommen und man nicht aufeinander hört, fehlt die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander.
L2: Deshalb bitten wir dich um Dialogbereitschaft und Offenheit für alle, die stumm und taub geworden sind.

L1: E wie Ernsthaftigkeit: Wo große Friedensprogramme nur auf dem Papier stehen und nicht umgesetzt werden, kann kein Friede wachsen.
L2: Deshalb bitten wir dich um Ernsthaftigkeit bei der Verwirklichung von Friedensprogrammen.

L1: N wie Nachsicht: Wo es an Güte und Großherzigkeit mangelt, wo man nicht verzeihen und über den eigenen Schatten springen kann, bleibt Friede ein Fremdwort.
L2: Deshalb bitten wir dich um Nachsicht und Güte für alle, die nur auf ihr Recht pochen.

Gott, mit dem Wunsch nach Frieden gehen wir in ein neues Jahr. Mit den Bausteinen Freude, Respekt und Interesse, Ehrlichkeit und Dialogbereitschaft, Ernsthaftigkeit und Nachsicht wollen wir selbst mitbauen am Haus des Friedens. Hilf du uns dabei durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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