Ochs und Esel an der Krippe

Predigt zum ersten Weihnachtsfeiertag (Hirtenmesse)

Predigt

Die Krippenszenerie ist uns vertraut. An der Krippe steht das traute hochheilige Paar, Josef und Maria, und dahinter das traute Tierpaar, Ochs und Esel. Für uns ein Bild des Friedens und der Heimeligkeit.

Am Dreikönigstag gesellen sich zu den Hirten, die als erste zur Krippe gekommen waren weitgereiste Gäste: die Könige aus dem fernen Osten. Ein wunderbares Bild: Die Hirten in ihrer Arbeitskleidung, die Könige in fürstlichen Roben. Die Hirten mit den Filzhüten auf dem Kopf, die Könige mit den Kronen und Turbanen. Die Hirten mit ihren schwieligen Arbeitshänden, die Könige mit ihren geschonten und beringten Fingern.

Alles mischt sich vor der Krippe bunt durcheinander. Scheinbar selbstverständliches Einvernehmen. Ein uns liebgewonnenes und vertrautes Bild. Schön anzuschauen. Aber eigentlich ist es eine große Herausforderung!
Denn wo gibt es denn das? Dass ein parfümierter Herr neben einem stinkenden Hirten steht? Ein Stinkreicher neben einem Bettelarmen? Wo gibt es das, dass ein Mächtiger mit einem Allerletzten, einem Tagelöhner, wie es die Hirten waren, nebeneinander in die Knie geht?

Und auch das Idyll von Ochs und Esel darf uns nicht täuschen. Ein Bauer zur Zeit Jesu hätte sich bei diesem Bild die Haare gerauft, Ochs und Esel nebeneinander: Des tut kee Gut! Denn Ochs und Esel passen nicht zusammen. Es gibt eine eigene Anweisung im Alten Testament, die besagt: „Du sollst Ochs und Esel nicht zusammen vor den Pflug spannen“ (Dtn 22,10). Der Ochs wäre geneigt, dem schwächeren Esel mit seinen Hörnern eins in die Rippen zu stoßen, und der Esel gibt gerne mit den Hufen zurück. Ochs und Esel, zwei, die sich nicht vertragen.

Kein Wunder, dass das Weisheitsbuch Jesus Sirach dieses Bild aufgreift, um ein ständig streitendes Ehepaar zu kennzeichnen und den klugen Rat gibt: „Selig der Gatte einer klugen Frau, der nicht gleichsam mit einem Gespann von Ochs und Esel pflügen muss!“ (Sir 25,8)

Merken Sie jetzt, welcher Zündstoff und welche Herausforderung eigentlich hinter unseren Krippen steckt? Es ist der Traum von einer anderen Welt. Von einer friedlichen Welt. Von einer Welt, Wo Reich und Arm, Hoch und Niedrig, verschiedene Meinungen und Charaktere ihren Platz haben und es nebeneinander aushalten.

Das ist der Wunsch und die Herausforderung unserer Krippen: dass der Gesang der Engel Wirklichkeit wird: „Friede den Menschen auf Erden“. Und sie geben das Rezept dazu: Möglich wird es überall dort, wo Menschen gemeinsam singen: „Ehre sei Gott in der Höhe“ und vor ihm in die Knie gehen.

Fürbitten Weihnachtsfest

Gott, unsere Welt ist von vielen Gegensätzen und Spannungen geprägt. Höre auf unsere Bitten:

Dass wirklich Friede wird – zwischen den Völkern, Friede unter den Nachbarn, Friede in den Häusern und Familien

GL 358,3: Lasset zum Herrn uns beten

Dass Freude sich ausbreitet – Trost bei den Betrübten, Mut bei den Verzagten, Hoffnung bei den Unglücklichen ...

Dass Gerechtigkeit einkehrt – zwischen Arm und Reich, zwischen Gebildeten und Ungebildeten, Gerechtigkeit für die Hungernden, für die Verfolgten und für alle Benachteiligten ...

Dass Freiheit wahr wird – Freiheit von Schuld, Freiheit von Unterdrückung, Freiheit von Verkrampfungen im eigenen Herzen ...

Dass Glück empfunden wird – hier in diesem Leben in schönen Stunden und einst bei dir in der vollendeten Welt. Dieses Glück erhoffen wir für alle Verstorbenen und beten in diesem Gottesdienst für ...

Darum bitten wir ...


Pfarrer Stefan Mai

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