Wär Maria hart geblieben...

Predigt zum 4. Adventssonntag (Lk 1,26-38)

Da sagte Maria: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe wie du es gesagt hast.“ Mit diesem Satz willigt Maria nach anfänglichem Zögern und Fragen in den göttlichen Plan ein, von dem sie der Engel unterrichtet hat. Staunend und dankbar umkreisen viele unserer Lieder dieses Ja einer jungen Frau.
Auf einer frechen Weihnachtskarte aus dem Sortiment provozierende Grußkarten zum Fest ist dagegen der Spruch zu lesen: "Wär' Maria hart geblieben, wär' Weihnachten uns erspart geblieben!"
Dieser Spruch kommt aus dem Lager der Menschen, die mit Weihnachten wenig anzufangen wissen, oder findet auch Zuspruch bei allen, die den Rummel um Weihnachten satt haben, die es satt haben mit den Geschenkemarathon und sich nicht mehr fragen möchten: Haben wir jetzt an alle gedacht? Wer fühlt sich übergangen? Welchen Essensplan stellen wir dieses Jahr auf? Und wer besucht wann-mit wem-wen?
Inzwischen hat sich ein Trend entwickelt, dieser Art „Weihnachten zu feiern“ zu entfliehen. Reisen in ferne Länder werden gebucht an Sonnenstrände, die das Klischee von Weihnachten, Schnee, Gänsebraten, glänzende Christbaumkugeln und Krippen unter Palmen vergessen lassen sollen.
Dagegen versuchen andere ganz bewusst einen Abglanz ihrer Kinderweihnacht, holen die Bräuche des Elternhauses vom klingenden Glöckchen wieder hervor, das die geheimnisvolle Tür zur Weihnachtsstube öffnet, und probieren wieder Rezepte von Mutters Herd aus. Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch schrieb in seinen Erinnerungen: Weihnachten und Silvester, das sind zwei Zeiten, da muss ich zu Hause sein, da kann ich nicht wegfahren, nach Mallorca oder in die Karibik. Und ich muss etwas von der Botschaft hören, egal wie. Ich, der Kabarettist, der sogenannte Aufgeklärte, der sich sonst über vieles lustig macht, brauche diese Zeit, um zu begreifen, wie sehr wir doch alle auf der Durchreise sind und dass im nächsten Jahr hoffentlich wieder alle dabei sein werden."
Liebe Leser,
Weihnachten steht wieder vor der Tür. Welches Bauchgefühl haben Sie in diesem Jahr in Bezug auf Weihnachten?
Von einem bin ich überzeugt: Bezug zu diesem Fest, fernab von aller Überfrachtung, Überkommerzialisierung und Überemotionalisierung können wir nur finden, wenn uns eines klar ist: „Dass Gottes Sohn schlicht, einfach ohne Aufsehen, nur mit dem einen Anspruch, aufgenommen zu werden, eben wie ein Kind gekommen ist, wird vergessen und ist doch der wahrhaft einzige Grund unserer Freude.“ Diesen Satz finde ich als Kommentar zu vielen eingefangenen Stimmen zur Weihnachtszeit in der diesjährigen Weihnachtsausgabe unserer Kindergartenhauspost.
Manchmal geht diese Einsicht Menschen bis in die Knochen neu auf. Von Anton Bruckner, dem großen Komponisten, wird erzählt, er sei nach der Mitternachtsmette noch ein wenig im Wiener Stephansdom zurückgeblieben. Beim Verlassen des Domes hatte man ihn noch gesehen. Als die Domsingknaben am nächsten Morgen, als sie zur Frühmesse zurückkamen, ihn immer noch dort fanden, begrüßten sie ihn: "Herr Bruckner, sie san ja immer noch do…". Darauf er: "Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er Mensch geworden ist."


Pfarrer Stefan Mai

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