Zu Beginn eine Widmung

Predigt zum Lukasfest 2011 in Mutzenroth

Auch heute ziehen Autogrammstunden Fans noch an. Wenn ein Lukas Podolski oder ein Bastian Schweinsteiger in der Sportabteilung eines großen Kaufhofs mit dickem Filzstift ihre Unterschrift auf Trikots oder Fußbälle schreiben, dann bilden sich Schlangen. Und so mancher Fußballer meint zu spüren, mit dieser Widmung auf meinem Trikot, da klappt es dann noch besser mit den Tricks und der Spielübersicht auf dem Fußballfeld. Und der Fußball mit der Unterschrift wird wie ein Heiligtum behandelt. Leseratten zeigen stolz ihr Paul Maar Buch mit einer persönlichen Widmung des Schriftstellers. Und die kleine Geigerin übt viel lieber mit den Notenblättern, in die die große Violinistin Anne Sophie Mutter bei Beck in München ihre Unterschrift gesetzt hat.

Unser Kirchenpatron von Mutzenroth, der Evangelist Lukas, beginnt sein Evangelium ganz anders als die anderen drei Evangelisten. Er schreibt in den ersten Zeilen eine Widmung:
„Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“

Vier wichtige Dinge für die Weitergabe des Glaubens lerne ich aus dieser Widmung des Evangelisten.
1. Ein Evangelist widmet sein Evangelium einem Mann, namens Theophilus. Theophilus ist ein griechischer Name und heißt: Freund Gottes, Gottsucher. Ob der Evangelist dadurch nicht sagen will: Wenn ich an einen Menschen den Glauben an Gott weitergeben will, dann kann ich ihn nicht gegen dessen Willen aufdrängen. Er muss vielmehr selbst dafür ein Stück aufgeschlossen sein, Interesse haben und neugierig sein oder wie es seit Habermas heißt: religiös musikalisch veranlagt sein?

2. Der Evangelist spricht Theophilus persönlich an. Er sagt zu ihm: „hochverehrter Theophilus!“. Wertschätzung und zugleich Respekt schwingt in dieser Anrede mit. Das heißt für mich: Den Glauben an Gott kann ich nur weitergeben, wenn ich auch den gern habe, dem ich erzähle, was der Glaube mir bedeutet, was mir der Glaube im Leben gegeben hat. Eine gute Beziehung zwischen den Eltern zu ihren Kindern, zwischen einem Lehrer und den Schülern, zwischen einem Pfarrer und den Menschen in einer Gemeinde ist die Basis dafür, dass Glaubensinhalte ankommen können.

3. Wenn Glaubensweitergabe gelingen soll, dann muss ich selbst dem Glauben auf der Spur sein. Ich kann den Glauben nicht einfach abgeben wie der Paketdienst ein Päckchen an der Haustür übergibt. Nein! Ich selbst muss ihm, wie der Evangelist schreibt, „von Grund auf sorgfältig nachgehen“, darüber nachdenken, spüren, dass er mich selbst trägt, nicht einfach oberflächlich dahinleben. Ich kann nur das weitergeben, was mir selbst wichtig und wertvoll ist und was ich selbst verstanden habe.

4. Der Evangelist strahlt großes Vertrauen und eine tiefe Gelassenheit aus. Er weiß, dass er es nicht in der Hand hat, ob Theophilus zum Glauben kommen wird und ihn vielleicht einmal selbst weitergeben wird. Es beeindruckt mich, dass er nicht mahnt und auffordert. Er traut dem Glauben an Jesus Tragfähigkeit und Überzeugungskraft zu, wenn er schreibt: Du kannst dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest. Nicht ich muss in der Glaubensweitergabe alles bewirken. Nein der Glaube wirkt selbst.

Liebe Leser,
unser Kirchenpatron gehört zu den vier Evangelisten, zu den Männern, die den Glauben an Jesus als beglückende Botschaft an die Menschen ihrer Zeit und nach ihnen weitergeben wollten. Eigentlich ist jeder von uns, der den Glauben als Geschenk und tragfähiges Fundament des Lebens empfindet, diese Evangelien als „Fünfter Evangelist“ weiterzuschreiben, in unser Lebensumfeld, in unsere Zeit hinein. Die Haltung, die ich heute dazu brauche, ist die gleiche wie Lukas in den ersten Zeilen seines Evangeliums schreibt:
„Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, verehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.“


Pfarrer Stefan Mai

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