Welch ein Unterschied: Wenn du es bist - du bist!

Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis (Mt 16,13-20)

„Mensch, ich möcht einmal so gern in dich reinschaun“, sagt die Frau zu ihrem Mann. „Ich kenn mich mit dir nicht mehr aus. Ich weiß nicht mehr, wer und wie du bist. Ich hab dir einmal so sehr vertraut, dir alles geglaubt. Aber mittlerweile kenne ich mich mit dir nicht mehr aus. Weiß nicht mehr, wie du denkst. Ich möcht´, sagt sie und klopft ihm auf die Brust, dass da ein Reißverschluss wär’, den man einfach aufmachen kann, um in dich einmal hineinzuschaun und zu wissen, wer du wirklich bist.“

Sie waren Freunde, Petrus und Jesus, haben viel miteinander erlebt, haben gemeint, sie kennen sich. Und doch, so haben wir vor zwei Wochen im Evangelium in der Seesturmgeschichte gehört, ist ihre Beziehung lange nicht so tragfähig gewesen, wie sie geglaubt haben. Sie ist nicht so eng, wie sie gemeint haben.
Ein sprechendes Bild: Während das Schifflein des Petrus draußen auf dem See hin- und her gebeutelt wird, ist Jesus noch meilenweit entfernt am Ufer. Ihr Bild, das sie sich voneinander gemacht haben, ist ins Wanken gekommen. Petrus meint in Jesus ein Gespenst zu sehen, das übers Wasser daher kommt. Er hat Angst vor seinem Freund. Und obwohl Jesus ihm sagt: „Ich bin’s!“, kann Petrus dies nicht glauben. Seine Versicherung „Ich bin´s“ genügt Petrus nicht. Petrus bohrt weiter. Er will ihn testen. Er will einen Beweis haben: „Wenn du es bist, dann lass mich auf dem Wasser zu dir kommen“ - und bricht erneut ein.

Zwei Kapitel später im Matthäusevangelium die heutige Szene: Jesus macht sich ganz im Norden, von Cäsarea Philippi aus auf den Weg nach Jerusalem. Und da fragt er seine Freunde. „Na, was denken die Leut’ von mir, für wen halten mich die Leut?“ Die Jünger sind bestens informiert über das, was die Leut’ so tratschen. Bereitwillig geben sie Auskunft: „Die einen halten dich für Johannes den Täufer, die anderen für Elija, wieder andere für Jeremija oder sonst einen der Propheten.“ Die nächste Frage Jesu sitzt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Und da tritt der, der Jesus kurz vorher an seinem „Ich bin es!“ nicht erkannt hat, der an der Tiefe der Freundschaft gezweifelt hat, auf ihn zu und legt ein Bekenntnis ab: „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes!“
Und Jesus kontert mit den Worten: Und „du bist Petrus, der Fels, auf dem ich meine Kirche bauen will, du bist meine Schlüsselfigur für die künftige Kirche!“

Faszinierend finde ich diese Szene. Da legt nicht nur Petrus ein Bekenntnis ab. Nein, da bekennt sich auch Jesus zu Petrus und traut ihm zu, wie ein Fels in der Brandung zu stehen. Diese Szene sagt mir:
Wenn Menschen durch Zweifel in der Beziehung hindurchgegangen sind. Wenn Bilder, die sie sich vom anderen gemacht haben, zerbrochen sind und sie neu zueinander gefunden haben, wieder neu Vertrauen ineinander setzen, dann beginnt ein neues Kapitel einer starken Beziehung. Dann fragen sie nicht mehr zweifelnd: Bist du wirklich so? Sondern sagen: Du bist so! Ich vertrau drauf. Und sie bekommen mehr zurück, als sie erwartet haben.


Pfarrer Stefan Mai

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