Was hat Bartholomäus mit Hautcreme zu tun?
Predigt zu Bartholomäustag 2011 in Wiebelsberg
In dieser Woche habe ich mich im Hinblick auf den Bartholomäustag einmal mit den Werbespots für Hautcremes befasst. Beim Googeln stieß ich auf eine frühe Kino-Werbung der Nivea Creme aus dem Jahr 1920. „Eulalias Verjüngung“ ist der Zeichentrickfilm betitelt: Eulalia, schon etwas älter, betrachtet ihr Gesicht mit Hilfe eines Handspiegels und ist entsetzt: Mein Gott, die vielen Falten, die ihr zeigen, jetzt wird sie langsam eine alte Raschel. Diesen Anblick kann sie nicht aushalten und wirft voller Verzweiflung den Spiegel in die Ecke. Die Tränen purzeln über die Backen. Und da sieht sie durchs Fenster hindurch auf der anderen Straßenseite einen Frauenauflauf. Die stürmen alle mit lautem Geschnatter auf eine Tür zu, schubsen und zerren sich. Jede will die erste sein. Über der Tür ist ein Schild angebracht.Darauf ist zu lesen „Verjünguns-anstalt“. Eulalia kommt in Rage. Sie rennt hinaus und zerrt eine nach der anderen recht rüpelhaft von der Tür weg. Und betritt gespannt einen Salon. Sie setzt sich auf eine Couch und spitzt hinter einen Vorhang: Vor ihr tanzt eine Nivea-Tube und lächelt ihr zu. Mit ihren Händen dreht die Niveatube ihren Verschluss auf, nimmt ein bisschen Creme und reibt es Eulalia quietschend ins runzlige Gesicht. Ein zweites Mal nimmt die Niveatube etwas Creme und reibt damit die Spülhände der Eulalia ein. Schließlich hebt eine Nivea-Puderdose ihren Deckel ab und tupft mit einem Puderläppchen zart das Gesicht Eulalias ab. Und dann das Strahlen auf Eulalias Gesicht. Sie verwandelt sich in eine um zehn Jahre jüngere Frau. Und da taucht ein Mann mit Schnauzbart auf, ist vom Anblick Eulalias hin und weg, und ein großes Herz formt sich um das Gesicht der beiden. Die Moral von der Geschicht’ ist dann in großen Lettern zu lesen: „Pflege deine Haut mit Nivea Creme und Puder!“ Bis heute funktionieren fast alle Werbespots für Tages- und Hautcremes nach ähnlichem Muster. Die Antifalten Cremes verheißen jüngeres Aussehen, straffere Haut, vertreiben die Falten, lassen die Gesichter wieder jung und strahlend aussehen, machen anziehender und lassen wieder lächeln. Aber was soll Hautcreme- Werbung mit unserem Kirchenpatron Bartholomäus zu tun haben? Sie wissen vielleicht: Bartholomäus ist der Zunft-Patron der Gerber, Sattler, Schuhmacher, und Buchbinder, also der Berufe, die mit Leder zu tun haben. Im Volksglauben gilt er als der Patron gegen Haut- und Nervenkrankheiten. Dieser Bezug des hl. Bartholomäus zum Leder und somit zur sensiblen Haut, die von so vielen Nervensträngen durchzogen ist, hat damit zu tun, dass ihm der Legende nach bei seinem Martyrium die Haut vom lebendigen Leib gezogen wurde. Auf den Bartholomäusfiguren trägt er die faltige Haut oft über seinem Arm. Wenn ich noch dazu über seinen Namen nachdenke - Bartholomäus heißt vom Hebräischen ins Deutsche übersetzt „der Sohn des Furchenziehers“ - dann bekommt sein Patronat in unserer modernen Zeit mit ihren Tausenden von Cremes, Lotions, und Körperpflegemittel für mich eine neue Bedeutung. Steckt nicht hinter allen Werbespots der Gesichts- und Hautcremes, die eine knackige, ewig junge, glatte und schöne Haut verheißen, nicht die Auffassung: Eigentlich soll im Leben immer alles glatt gehen, alles Hässliche außen vor bleiben. Und so schleicht sich langsam eine Lebenshaltung ein: Das Leben ist eigentlich nur schön und lebenswert, wenn alle Runzeln, alle Hinfälligkeiten, der geistige und körperliche Abbau möglichst weit hinausgeschoben oder überhaupt nicht wahrgenommen werden. Der Furchenzieher Bartholomäus mit seiner faltigen Haut über dem Arm stellt Gegenfragen. Er stellt die Frage: Kann ein Gesicht wirklich nicht mehr schön sein, wenn es zunehmend runzlig und faltiger wird? Geben die Falten nicht einem Menschen die Aura einer menschlichen Reife? Erzählen die Falten in einem Menschengesicht nicht oft die Geschichten eines Menschenlebens? Die Stirnrunzeln von den schweren Entscheidugen des Lebens, die mir schlaflose Nächte bereitet haben, wo ich mit mir gerungen habe. Die Lachfalten von den glücklichen Momenten des Lebens, wo das Herz vor Freude gehüpft ist. Wo man gespürt hat: Das Leben ist einfach schön. Die Sorgenfalten im Gesicht, die von mancher Angst im Leben erzählen und die kleinen oder großen Narben auf der Haut, die Zeichen von Verletzungen und mancher Krankheit sind. Die Werbespots der Cremes verheißen Tiefenwirkung mit Ausbügeln der Falten. Der Furchenziehersohn Bartholomäus fragt mich: Sind nicht gerade die Falten und Furchen im Gesicht ein Ausdruck von Lebensgeschichten und Lebenstiefe? Liebe Leser, wenn Sie wieder einmal im Spiegel Ihre Fältchen oder Falten im Gesicht sehen und eine Anti-Aging-Creme auftragen, vielleicht denken Sie einmal an den Furchenziehersohn Bartholomäus und an die Geschichten, die Ihnen Ihre Falten im Gesicht über Ihr Leben erzählen.
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