Der 12 Sterne Kranz der apokalyptischen Frau und das Emblem der Europaflagge

Predigt zu Mariä Himmelfahrt (Offb 11,19a; 12,1-6a.10ab)

Man meint geradezu in einem Fantasyfilm zu sein: Da erscheint am Himmel ein großes Zeichen, eine Frau mit der Sonne bekleidet, den Mond unter den Füßen und auf ihrem Haupt ein Kranz von 12 Sternen. Sie ist schwanger und hat bereits Geburtswehen.
Und da steigt eine zweite Gestalt auf, ein großer roter Drache, Furcht erregend mit sieben Köpfen und Kaiserkronen auf dem Kopf. Der fegt mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne weg und wartet schon darauf, das Kind zu fressen, das geboren wird. Doch wie ein Wunder: Der Drache geht leer aus. Das Neugeborene wird zu Gott entrückt und der Frau schafft Gott einen Zufluchtsort in der Wüste. Und laut verkündet eine himmlische Stimme den Sieg und die Macht Gottes.
Mit diesen Bildern will der Seher Johannes den Christen im 2. Jh. in Kleinasien Mut machen: Er vergleicht die junge Kirche mit dieser jungen Frau, die Nachwuchs bekommt - von Christus, der Sonne umstrahlt und mit den 12 Aposteln als Schmuck auf dem Kopf. Und er verheißt ihr: Der Riesenmoloch, dieser gefährliche Drache Römisches Reich, wird euch nichts anhaben können. Die junge Kirche hat Zukunft. Gott hält das Heft in der Hand. Und am Ende wird der Drache besiegt, das Römische Reich wird untergehen. Und Johannes macht Mut, trotz Drohgebärden der politischen Supermacht Rom, dem Glauben an Christus die Treue zu halten.

- Aufrollen der Europaratsfahne -

Der Sternenkranz, 12 Sterne auf azurblauem Hintergrund, wurde im Jahr 1955 zum Emblem der Flagge des Europarates, inzwischen für die gesamte Europäische Union. Der Kreis der 12 Sterne soll für die Solidarität und Harmonie zwischen den europäischen Staaten stehen. Das ist die offizielle Erklärung. Es war ein langer komplizierter Prozess, bis man sich am 8. Dezember 1955 auf dieses Symbol des Sternenkranzes nach endlosen Verhandlungen einigte. Ist es nur ein Zufall, dass dies der Tag ein Marienfest ist, das Fest Maria Immaculata, die immer mit diesem Kranz der 12 Sterne dargestellt wird?

Eine wesentliche Schlüsselrolle für das Emblem der Europaflagge wird Paul Levy zugeschrieben. Paul Levi war Belgier jüdischer Abstammung. In Leuven sah er während des 2. Weltkrieges die zahlreichen Eisenbahnzüge, in denen die Juden von der deutschen Gestapo nach Osten in eine ungewisse Zukunft transportiert wurden. Bei diesem Anblick legte er das Gelübde ab, dass er, wenn er den Krieg lebend überstehen würde, zum katholischen Glauben konvertieren wolle, was er dann auch tat.
Lévy, wurde nach der Gründung des Europarates Direktor des Informations- und Pressedienstes im Europarat. Im Jahr 1955, so wird erzählt, sei er an einer Marienstatue mit einem Sternenkranz vorbeigekommen. Durch die Sonne beschienen, leuchteten die 12 goldenen Sterne vor dem blauem Himmel. Lévy habe daraufhin dem damaligen Generalsekretär des Europarates, Graf Benvenuti, einem venezianischen Christdemokraten, vorgeschlagen, zwölf goldene Sterne auf blauem Grund als Motiv für die Europaflagge zur Abstimmung zu stellen. Benvenuti war von dem Vorschlag begeistert und wenig später wurde der Vorschlag allgemein akzeptiert und durch einen weiteren Katholiken künstlerisch umgesetzt.

Dieser verdeckte Hintergrund zur Entstehung des Europaemblems macht mich nachdenklich. Ein gläubiger Mann, der durch die Schrecken und Bedrohung des Holocausts hindurch ging, spielte eine entscheidende Rolle für das Finden des Europazeichens. Ein Mann der wusste, dass das 12 Sterne-Diadem ein Gegenzeichen zu den totalitären Regimes aller Zeiten ist.
Paul Levy hat zu seinen Lebzeiten in der Öffentlichkeit nie über die religiöse Bedeutung der 12 Sterne gesprochen. Denn schon damals 1955 durfte kein offizielles religiöses Symbol auf der Europaratsflagge erscheinen. Viele vermuten, dass die drei Väter der Europaratsflagge als gläubige Katholiken mit dem Symbol aus der Offenbarung über Europa ein chiffriertes Glaubens-Symbol setzen wollten, vielleicht sogar damit Europa unter den Schutz der Muttergottes stellen wollten.
Inzwischen hat das Wort „Gott“ keinen Platz mehr in der europäischen Verfassung. Aber die 12 Sterne in der Flagge verkünden: Gott hat trotzdem das Heft der Weltgeschichte in der Hand.


Pfarrer Stefan Mai

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