Ich bin die Herrlichkeit Gottes

Predigt zum Open-Air Gottesdienst im Schlossgarten mit dem Singkreis inTakt

Vor einiger Zeit in der Schallfelder Sakristei: Die Ministrantinnen waren gut drauf und schnatterten wie die Gänse. Da stellte ich ihnen die Rätselfrage: Was ist denn das Adjektiv zu Herr? Wie aus der Pistole geschossen kam es: herrlich. Und wie heißt das Adjektiv zu Dame: kaum hatten sie das Wort „dämlich“ über die Lippen gebracht, legten sie Protest ein und meinten: das ist fies mit dem herrlich und dämlich.
Diese schalkhafte Rätselfrage führt nicht die richtig Spur zu dem Wort herrlich. Schon eher die folgenden Alltagsszenen

3 Szenen werden gespielt

2 Kinder spielen sich einen Fußball zu:

Kind 1: „Ich freu mich, wenn das Wetter schön ist. Dann kann ich nach den Hausaufgaben raus zum Fußballspielen“
Kind 2: „Ja, und wenn noch mehr mitspielen, dann ist es herrlich.

Ein Mann kommt mit Walkingstöcken angelaufen:
„Nach einem langen und anstrengenden Tag im Büro finde ich es herrlich, wenn ich Zeit habe, im Wald zu laufen. Ich genieße die herrliche Natur und lade meine Akkus wieder auf.“

Eine Frau kommt mit einem Buch und einem Liegestuhl:
„Ach ist das herrlich (lässt sich dabei in den Liegestuhl fallen), wenn ich mir einfach mal faul die Beine hochlegen kann, um gemütlich Kaffee zu trinken und zu lesen oder vielleicht auch mal ein kleines Nickerchen zu machen.

Einer der bekanntesten Theologen Amerikas war in den 70er und 80er Jahren der Pastoraltheologe Henry Nouwen. Trotz Erfolg und Ruhm überfiel ihn eine tiefe Sinnkrise. Er gab seinen Lehrstuhl an der Universität auf und nahm eine 7-monatige Auszeit in einem Trappistenkloster. Die Trappisten sind eine der strengsten Ordensgemeinschaften der katholischen Kirche. In der ersten Zeit seines Aufenthaltes suchte er nach einem geistlichen Leitwort, nach einem Stichwort, das ihm in seiner Situation wieder weiterhelfen kann, so wie das Stichwort, das ein Souffleur einem stecken gebliebenen Schauspieler zuflüstert. Henry Nouwen fragte den Abt des Klosters. Und der gab ihm ein seltsames Meditationswort auf den Weg. Er meinte: Machen Sie zum Mittelpunkt ihres Meditierens das Wort: „Ich bin die Herrlichkeit Gottes.“
Henry Nouwen stutzte: Ich bin die Herrlichkeit Gottes? Ich, der sich mit sich selber nicht mehr auskennt? Ich, der sich selber alles andere als herrlich empfindet? Ich, der sich innerlich leer und ausgepumpt fühlt? Ich und herrlich, ich soll etwas ausstrahlen?
Viele Menschen fühlen sich diesem Henry Nouwen seelenverwandt. Man rackert sich zwar ab und sorgt und tut das seine, sich aber deswegen als herrlich empfinden, meilenweit davon entfernt! Das Gefühl, man lebt zwar, aber das Leben als herrlich empfinden, weit gefehlt!

Als der Abt im Trappistenkloster seinem Gast das Wort gab: Ich bin die Herrlichkeit Gottes, fügte er erklärend hinzu: „Sie sind der Ort, den Gott sich zur Wohnung erwählt hat, und das geistliche Leben besteht nicht mehr und nicht weniger als in dem Versuch, Gott den Raum zu schaffen, in welchem sich seine Herrlichkeit offenbaren kann“ (vgl. Joh 17,22).
Wenn ich das glauben kann: In mir als Mensch ist ein Funke Gottes, ein verborgener Glanz. Wenn ich das glauben kann, kann das mein Verhältnis zu den Menschen grundlegend verändern.
Ein Heiliger der Ostkirche, Seraphim von Sarow, begrüßt jeden seiner Besucher: „Du, meine Freude.“ Er wollte in jedem Menschen den verborgenen Glanz der Herrlichkeit Gottes sehen und sah jeden Menschen als einen, der ihm etwas von Gott zeigt.

Wenn ich mich als herrlich empfinde, sowohl als Herr oder Dame, dann ist es auch leichter, die Welt mit anderen Augen zu sehen, sie trotz aller Rätsel und Absurditäten herrlich und schön zu finden. Wenn ich daran glauben könnte: Ich bin die Herrlichkeit Gottes, dann könnte ich positiver vom Menschen denken, in ihm viel eher gutes und herrliches empfinden. Wenn ich daran glauben könnte: Ich bin die Herrlichkeit Gottes, in mir wohnt ein Funke von Gott, dann hätte ich eine größere Ausstrahlung.

Vielleicht nehmen wir von diesem Gottesdienst den Satz des Trappistenabtes mit in den Alltag: „Ich bin die Herrlichkeit Gottes!“ - das wäre herrlich!


Pfarrer Stefan Mai

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