Gott in drei Beziehungen

Predigt zum Dreifaltigkeitsfest 2011

Predigt

Jeder von uns hat im Alltag ganz unterschiedliche Rollen zu erfüllen. Die Frauen mögen entschuldigen: Ich spiele die Sache für die Männer durch – und versuche, mich in einen verheirateten Mann hineinzudenken.
Als Ehemann ist er erst einmal der Partner seiner Frau, die er sich selbst ausgesucht hat, die er verehrt – und über die er sich manchmal auch ärgert. Wenn die Ehe gut gehen soll, dann muss er bereit sein, Kompromisse zu schließen, seine Frau als gleichwertiges Gegenüber zu respektieren, Entscheidungen gemeinsam abzustimmen, und das heißt: ab- und zuzugeben und sich vielleicht auch einmal eines Besseren belehren zu lassen.
Meistens ist der Ehemann auch Vater: von einem oder mehreren Kindern. Denen gegenüber muss er einen andere Rolle einnehmen. Da ist seine fürsorgliche und beschützende Seite gefragt: Er muss seinen Bub, sein Mädchen in den Arm nehmen, Halt geben, Mut zusprechen. Vielleicht aber auch einmal ein ernstes Wörtchen sprechen und scharf „Nein!“ sagen. In der Hoffnung, dass der Bub oder das Mädchen zur Besinnung kommen – und ihm wegen seines harten Tones nicht böse sind, weil sie spüren: dieses „Nein!“ war die Notbremse. Das klare „Nein!“ hat mich vor einem falschen Schritt bewahrt.
Aber im Mann (wie natürlich auch in der Frau) – da schlummert, wenn auch sehr verborgen, auch selbst ein Kind. Das sprichwörtliche „Kind im Manne“. [Und das merkt man nicht nur daran, dass sich Väter mit der Eisenbahn für den Sohn oft nur einen eigenen Kinderwunsch erfüllen.] Gemeint ist die eigene Sehnsucht nach kindlicher Geborgenheit, wie sie der Vater und die Mutter tagtäglich und ganz selbstverständlich weitergeben. Gemeint ist der Wunsch, auch selbst einmal getröstet, in den Arm genommen zu werden, sich auch einfach einmal fallen lassen dürfen.
Entwicklungspsychologen sagen: Solche regressiven Phasen sind absolut notwendig. Nur so kann ich ein wirklich reifer Mensch werden: Wenn ich um das Kind in mir weiß, wenn ich diesem Kind Raum gebe. Nur so kann ich über meine kindliche Prägung hinauswachsen. Reif werden heißt dann: eben nicht alles auf meine kindliche Prägung abschieben; nicht alle Fehler auf meine ererbten Gene und die verkorkste Erziehung durch meine Eltern. Sondern: Verantwortung für mein eigenes Leben übernehmen. Mein eigenes Leben gestalten. Mich zu verändern versuchen. Nicht immer in die gleichen Fallen tappen. Über das Kind in mir hinauswachsen.
Alle diese Rollen, der Partner, der Vater/die Mutter, das Kind – und die reife, eigenständige Person, sie alle stecken in ein und demselben Menschen. Wenn wir das vor Augen haben, könnte es uns leichter fallen, das Bild von dem einen Gott in drei Personen besser zu verstehen. Denn es ist ein Bild von Gott. Schon der heilige Augustinus sagt: „Um von Gott nicht ganz zu schweigen, sprechen wir von Personen.“ Und er fügt hinzu: „Wer zu zählen beginnt (3 = 1), beginnt zu irren.“
Das liegt auch ganz in der Spur der biblischen Sprache. Da geht es nicht um das innertrinitarische Verhältnis der drei göttlichen Personen zueinander, sondern darum, die unterschiedlichen Beziehungen Gottes zu uns Menschen zur Sprache zu bringen – eben in unterschiedlichen Personen und deren Rollen. Paulus wünscht den Korinthern die Erfahrung der Liebe Gottes (des Vaters), die Erfahrung der Gnade Christi, die Erfahrung der Gemeinschaft des Heiligen Geistes (2 Kor 13,13).
So gesehen, mit Augustinus und mit Paulus, entschlüsselt sich das Bild vom einen Gott in drei Personen für mich so:
Gott kann für mich wie ein Vater oder eine Mutter sein. Vor ihm darf ich Kind bleiben – ein Leben lang. Vor Gott darf ich schwach sein, darf mich fallen lassen. Auch wenn ich im normalen Leben meinen Mann oder meine Frau stehen muss, Stärke und Führungskraft zeigen muss, vor Gott darf ich mich ausheulen, seiner Führung darf ich mich überlassen. Vor ihm darf ich im Gebet zugeben, dass ich nicht mehr ein und aus weiß. Von ihm darf ich Trost erhoffen – und darauf vertrauen, dass schwere und mühsame Wege, die er mir nicht erspart, vielleicht ganz wichtig für mich sind.
Die Gnade Christi sei mit euch, wünscht Paulus. Mit „Gnade“ ist in der antiken Welt das Wohlwollen zwischen Partnern gemeint, die aufeinander angewiesen sind. Für mein Verhältnis zu Gott bedeutet das: Gott will nicht der große Pascha sein, der Despot. Er ist der große Partner in meinem Leben. Er ist auch auf mich angewiesen. Mit mir und meinem Leben wächst auch die Größe Gottes. Jesus ist das Modell dafür. Mit seinem Lebensstil hat er auch Gott groß gemacht. Und er hat gezeigt, wie großartig ein Mensch sein kann, wenn er nur auf Gott als seinen starken Partner setzt: warmherzig anderen gegenüber – und stark und ungebeugt, wenn andere ihn klein machen wollen.
Und Paulus wünscht die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Damit spricht er den Funken Gottes in jedem gläubigen Menschen an. Die Kraft, über mich selbst hinauszuwachsen. Selbständig zu urteilen. Meinen eigenen Weg zu gehen, vor meinem eigenen Gewissen verantwortet – auch Gott gegenüber, und erst recht den Vorschriften der Kirche gegenüber. Paulus wünscht uns mit der „Gemeinschaft des Heiligen Geistes“, dass wir vor Gott erwachsene Menschen werden. Er sagt uns damit: Vertraut darauf, dass ihr mit Gottes Kraft, mit dem Funken Gottes in euch, den richtigen Weg in dieser Welt finden könnt.

Liebe Leser,
den dreifaltigen Gott als Bild für unterschiedliche Gottesbeziehungen zu entschlüsseln wäre ein Weg, ein reifer Mensch zu werden und doch Kind bleiben zu dürfen – vor Gott.

Fürbitten zum Dreifaltigkeitssonntag

Unerforschlicher Gott, du bleibst das Geheimnis unseres Lebens, und wir sehnen uns danach, etwas von deiner Nähe und Größe zu spüren. Wir vertrauen auf deine Gegenwart und beten zu dir:

Wir bekennen: Ich glaube an Gott - und bitten ihn:
Allmächtiger Vater und Schöpfer, erweise deine Macht den Ohnmächtigen und Schwachen, den Kranken und Verzweifelten. Lass uns auf deine Güte vertrauen und wecke in allen Menschen die Ehrfurcht vor deiner Schöpfung.

Wir bekennen: Ich glaube an Jesus Christus - und wir bitten ihn:
Eingeborener Sohn und Herr, lass uns durch den Blick auf dein Leben Größe gewinnen an Menschlichkeit und der Bereitschaft, in anderen Menschen auch Gott zu dienen.

Wir bekennen: Ich glaube an den heiligen Geist - und bitten ihn: Herr und Lebendigmacher, halte uns in der Spur Jesu, rüttle uns immer wieder wach, wenn wir gedankenlos und müde werden. Und schenke deiner Kirche eine große Ausstrahlung, damit sie Menschen für das Evangelium begeistern kann.

Wir bekennen; Ich glaube an die Auferstehung der Toten - und bitten:
Schenke unseren Toten - in diesem Gottesdienst beten wir für .......................... - die Erfüllung ihrer Sehnsucht bei dir.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn ...


Pfarrer Stefan Mai

© Stefan Mai 2001 - 2024
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Pfarrer Stefan Mai.

www.stefanmai.de