Es ist nicht ganz leicht, Nachfolger eines Seligen zu sein

Begrüßungsworte beim Besuch des Bamberger und Würzburger Domkapitels am 26. Mai 2011 in Oberschwarzach

Sehr geehrte Herren Bischöfe, sehr geehrte Mitglieder des Bamberger und Würzburger Domkapitels, verehrte Gäste!

Als Pfarrer von Oberschwarzach darf ich Sie an der Grenzlinie der Diözesen Bamberg und Würzburg heute zu dieser Vesper in der Kirche begrüßen, in der Pfarrer Georg Häfner sieben Jahre lang seine Gottesdienste hielt und täglich zur „Besuchung des Allerheiligsten“ - wie er es nannte - weilte.

Es ist nicht nur eine Ehre, es ist auch nicht ganz leicht, Nachfolger eines Seligen zu sein.
Es ist eine große Herausforderung, sich einem Seligen zu nähern und ihn Menschen näher zu bringen.
Es ist nicht ganz leicht, zu einem Seligen einen Zugang zu finden, der ein ganz anderer Seelsorgertyp war als ich selbst.

Und: Es ist nicht ganz leicht, Menschen zu einem Seligen einen neuen Zugang zu eröffnen, der bei den Einheimischen mit den Eigenschaften: unzugänglich, zurückgezogen, stur, nicht gerade kommunikativ und autoritär verbunden ist; und der somit wenig an sich hatte, was ihm eine gewisse Beliebtheit oder Popularität bei den Oberschwarzachern eingebracht hätte.

Es ist nicht ganz leicht, mit der unbewussten Angst umzugehen: Da könnten in unserem Dorf jetzt wieder aus der Nazizeit Dinge hochkommen, über die nach 70 Jahren Gras gewachsen war.
Und es ist eine große Hypothek, wenn bei Dissens zwischen Pfarrern und Gemeinde des öfteren die Waffe gezückt wurde: Ihr habt schon einmal einen Pfarrer ins KZ gebracht!

Was hat mir persönlich geholfen, einen ehrlichen und unverkrampften Zugang zu Georg Häfner zu finden?

1. Die Überzeugung: Es ist wichtig, die „vox populi“ (Stimme des Volkes) zu hören, sie ernst zu nehmen und sie nicht einfach zu übergehen.

2. Die Überzeugung: Wenn dir ein Mensch sperrig und in seiner Art fremd erscheint, gerade dann hat er dir etwas zu sagen. Gerade dann weist er dich auf deine eigenen blinden Flecken hin.
(In Klammer gesagt: Ohne diese Haltung wird auch der angekündigte Dialogprozess in unserer Kirche nicht gelingen).

3. Es ist wichtiger, autobiographische Schriften zu lesen und sich auf sie einzulassen, als ein bisschen in Sekundärliteratur zu stöbern. Gerade die Briefe von Georg Häfner haben mir persönlich einen Zugang zu seiner Person, zu seiner Seele, zu seiner Denk- und Gefühlswelt erschlossen.

4. Es ist wichtig, einen Interpretationsschlüssel zu finden, durch den du einen ehrlichen und unverkrampften Zugang zu Georg Häfner findest. Für mich waren es zwei Schlüssel:

Der erste: „Was dich prägt, hält dich!“
Ich konnte Georg Häfner viel besser verstehen, als mir aufging, wie er zutiefst von Kindheit an durch die Karmelspiritualität geprägt war und dies die Hintergrundfolie seines seelsorgerlichen Handelns war.

Der zweite: Nicht was sich die Leute von ihrem Dorfpfarrer gewünscht hätten und was ihn in Oberschwarzach beliebt gemacht hätte, nicht das hat ihm im KZ die Widerstandskraft bis zum Märtyrertod gegeben, sondern das Sperrige an ihm, das, was bei den Leuten nicht gut angekommen ist, was für die Dorfleute eckig und kantig an ihm war, das hat ihm das eigentliche Rückgrat gestärkt.

Ich bin dankbar für den Prozess, den wir mit den Gremien und Menschen von Oberschwarzach im Rahmen der Vorbereitung auf die Seligsprechung von Pfarrer Georg Häfner gegangen sind.
Ich bin dankbar, dass wir um eine zeitgemäße Verehrungsstätte für den Seligen gerungen haben und nun hinten in unserer Kirche eine würdige und ausdrucksstarke Gedächtnisstätte unseres Seligen haben dürfen.

Von hier aus feiert er die Gottesdienste nun mit uns.
Wir haben einen Mann im Rücken,
der Rückgrat zeigte, auch wenn man ihn zerbrach,
der standhielt, auch wenn man ihn zermürbte.

Er wird unter uns stehen.
Er wird hinter uns stehen.
Will uns den Rücken stärken,
will ermutigen, unser Gesicht zu wahren.

Und wir vor ihm - können nur bitten:
Ora pro nobis.


Pfarrer Stefan Mai

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