An diesem Tisch sind sie immer willkommen...

Predigt zum Weißen Sonntag 2011

Einleitung

Es ist nicht nur schön, eingeladen zu werden. Es ist fast noch schöner, wenn Menschen eine Einladung von mir annehmen und mir sagen: „Ja, ich komme.“
So mancher von Euch hat sich in den letzten Wochen viel Mühe bei der Gestaltung der Einladungskarten gemacht, sie persönlich vorbeigebracht oder verschickt. Wer eine Einladung ausspricht hofft natürlich darauf, dass sie angenommen wird.
Viele der eingeladenen Gäste sind heute mit euch zum Gottesdienst gekommen, um mit euch das Fest der Erstkommunion zu feiern. Ich heiße euch alle herzlich willkommen.

Predigt

- Leise Orgelmusik. Dabei tragen vier Väter einen großen Tisch nach vorne und stellen fünf Stühle um ihn herum -

Jahrelang war der große Tisch Mittelpunkt der Familie. Was hat er alles erlebt. Als die beiden eine Familie gegründet haben, ist er als Erbstück von daheim mitgewandert. Zuerst saß das junge Ehepaar zu zweit am Tisch, bis über die Ohren verliebt, machte Pläne und träumte von einer guten Zukunft. Sie haben sich auf ihre Kinder gefreut. Ihre Kinder wurden auf diesem Tisch gewickelt. Als Baby lagen sie oft auf dem Tisch und die Eltern bestaunten dankbar das Wunder des Lebens. Die Kinder wurden langsam größer und nahmen ihre Stammplätze rings um den Tisch ein. Täglich führte dieser Tisch die Familie wenigstens einmal alle zum Essen zusammen. Darauf legten sie großen Wert, egal ob die Kinder im Kindergarten oder in der Schule waren.
An diesem Tisch geschah aber weit mehr als nur Essen. An ihm wurden Hausaufgaben gemacht, am Abend las der Vater daran die Zeitung. Und jeden Abend, wenn die Kinder im Bett waren, saßen die Eltern an ihm noch eine Weile zusammen und schauten auf den Tag zurück. An diesem Tisch wurde gelacht, geweint, gestritten, geschwiegen und erzählt. Spannende Spielabende dauerten hier bis in die Nacht. Auch für die Nachbarskinder war hier Platz. Und viele Familienfeste wurden an ihm gefeiert.
Die Kinder wurden langsam größer. Und einer nach dem andern ging zum Studium fort. Arbeit fanden sie in München und Stuttgart. Die Eltern haben sich daraufhin entschlossen, eine kleinere Wohnung zu beziehen. Alles haben sie verkleinert: kleinere Schränke und Regale, weniger Zimmer, weniger Betten.
Aber der alte große Tisch ist geblieben, ihn haben sie mitgenommen. „Er ist für uns so wichtig geworden. An ihm ist so viel geschehen. Und dieser Tisch bleibt eine ständige Einladung an unsere Kinder, immer wieder einmal nach Hause zu kommen. Egal, wie das Leben ihnen mitspielt, egal was sein wird: An diesem Tisch sind sie immer willkommen!“

- Schild „Willkommen“ wird auf den Tisch gestellt -

Werden die Kinder die Einladung annehmen? Werden sie kommen?

Vor 2000 Jahren erzählte auch Jesus eine Willkommensgeschichte. Da will einer ein Fest ausrichten, und damit die Leute, die ihm wichtig sind, die er gern bei seinem Fest dabei haben möchte, sich darauf einstellen können, spricht er die Einladung schon lange im Voraus aus. Endlich ist es so weit. Er schickt seine Boten los, um die Gäste zu erinnern: „Jetzt könnt ihr kommen. Es ist alles vorbereitet. Ich freu mich auf euch!“
Und dann passiert das Unfassbare: Einer nach dem andern sagt ab. Der eine muss seinen neuen Acker begehen. Der zweite will sich die Ochsen anschauen, die er gerade gekauft hat. Der dritte hat geheiratet und ist noch in den Flitterwochen. Alles einsichtige Gründe. „Das verstehst du doch sicherlich,“ lassen sie dem Gastgeber ausrichten. „Ich bitte dich, entschuldige mich!“
Fällt das Fest nun aus? Nein, das Fest findet statt! Der Gastgeber schickt seine Boten noch einmal aus. Sie sollen zusammenholen, wen sie in der Stadt finden: Leute von der Straße, Krüppel, Lahme, Blinde ... Und als immer noch Platz ist, gehen sie ein weiteres Mal los und holen die Leute von der Landstraße, die noch nie jemand eingeladen hat. Eine bunt zusammengewürfelte Festgesellschaft! Und das Haus wird voll! Das Fest findet statt. Es wird fröhlich gefeiert.

- Schild „Willkommen“ wird auf den Altar gestellt -

Liebe Kinder!
Der Tisch in der Kirche, der Altar, wird seit vielen Jahrhunderten in unserer Kirche gedeckt. Seit vielen Jahrhunderten ist er
eine ständige Einladung an die Menschen. Egal, wie das Leben
mitspielt, egal was sein wird: Immer gilt diese Einladung: Herzlich willkommen.
Ich bitte euch heute nur um eines: Vergesst von eurer Kommunion nie dieses eine Wort: „Willkommen“. Vielleicht wird aus dieser Einladung „Willkommen“ eine Antwort: Ich will kommen.

Vielleicht geht es euch aber auch so:
Nicht nur draußen am Eingangsportal unserer Kirche ist der bunte Willkommensgruß, den ihr gemalt habt, verschwunden, sondern auch bei euch schwindet diese Einladung „Willkommen“ langsam aus dem Gedächtnis. Der Sonntagmorgen gehört wieder dem Bett oder dem Fernseher oder dem Computerspiel.
Ihr werdet größer, geht auf´s Gymnasium, studiert in einer Stadt irgendwo in Deutschland und zieht schließlich von daheim weg, weil ihr in einer anderen Stadt Arbeit findet.
Eines Tages besuchst du wieder einmal deine Eltern in Gerolzhofen. An einem sonnigen Samstagsabend gehst du in die Stadt und schlenderst gemütlich über den Gerolzhöfer Marktplatz. Und da läuten plötzlich die Glocken des Steigerwalddomes. Du erinnerst dich, wie ihr damals bei der Erstkommunionvorbereitung oben im Glockenturm wart und dir kommt wieder in den Sinn: Die Glocken sagen: Herzlich willkommen zum Gottesdienst.
Schon lange warst du nicht mehr in deiner Kommunionkirche. Hauptsächlich alte Menschen gehen zur Abendmesse. Du schaust die Schaufenster beim Iff an. Die Türen vom Kirchenortal stehen offen und vom Innern der Kirche dringt Orgelmusik nach draußen.

- leise Orgelmusik: Komm herein und nimm dir Zeit für dich... -


Du bleibst einen Moment stehen und atmest tief ein. Ein sonderbares Gefühl. Du erinnerst dich an das Lied, das ihr damals bei der Kommunion so gern gesungen habt, an den Duft des Weihrauchs, und an das Weihwasserbecken gleich am Kircheneingang. Du hörst dieses Wort von deiner Kommunion „Willkommen“ und siehst dich als Kind mit deiner Kommunionkerze einziehen. Erinnerungen über Erinnerungen kommen in dir hoch. „Ich komme“, flüsterst du leise, überquerst die Straße und folgst vorsichtig der Musik in das Innere der Kirche.

- Orgelmusik klingt langsam aus -


Pfarrer Stefan Mai

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