Morire con dio in pace

Karfreitag

Ein Rompilger erzählt: Er hatte eine Wallfahrt nach Rom gemacht und sich Zeit genommen für die Gebetsstätten und die Sehenswürdigkeiten dieser faszinierenden Stadt. Gegen Ende seines Aufenthaltes ließ er sich von einem älteren Droschkenkutscher in die nähere Umgebung von Rom fahren. Wie von den Erlebnissen der vergangenen Wochen war er jetzt von der herrlichen Landschaft ergriffen. Spontan fragte er den Kutscher, was für ihn hier in seiner römischen Heimat das Schönste sei. Da sagte der alte Mann nach einem kurzen Nachdenken: "morire con dio in pace, Signore. Einmal mit Gott in Frieden sterben, mein Herr.“

Der Rompilger hatte sicher erwartet, der Kutscher würde eines der herrlichen Gebäude nennen, das er seinen Gästen im Verlauf seines Lebens so oft gezeigt hatte. Oder eine alte Straße, die er gerne mit seinen Gästen gefahren ist. Nein, nichts von alledem. Vielmehr das überraschende Wort: morire con dio in pace, Signore. Einmal mit Gott in Frieden sterben, mein Herr.

Ein morire con dio in pace führt uns der Johannesevangelist in seiner Passion vor Augen. Jesus stirbt ganz ruhig. Ohne Verzweiflungsschrei. Sein letztes Wort ist geradezu majestätisch: Es ist vollbracht. Vorher regelt er noch seine Sachen im Gespräch mit Mutter und Freund. Die Qualen der Kreuzigung scheinen wie ausgeblendet.

Ich frage mich, ob das nicht Absicht ist: Der grausame Vorgang der Kreuzigung und das ruhige, erhabene Sterben Jesu. Ob nicht der Evangelist Johannes damit andeuten will: morire con dio in pace, mit Gott in Frieden sterben, das hängt nicht davon ab, unter welchen Umständen du stirbst, ob alleine oder im Kreis von lieben Menschen, ob daheim oder im Krankenhaus, ob unter Schmerzen oder im langsamen Auslöschen. An Jesu Sterben scheint mir der Evangelist Johannes zu zeigen: mit Gott in Frieden sterben können, das hängt von deinem Leben ab.

Deshalb raten Meister der Spiritualität schon immer: Denke bei wichtigen Entscheidungen im Leben an deine letzte Stunde. Wie möchtest du gelebt haben, wenn du am Ende zum Sterben daliegst? Wenn du nichts mehr ändern kannst. Wenn du keine Kraft mehr hast: Wie möchtest du zurückschauen? Wärest du dann mit der Entscheidung, die du jetzt treffen musst, zufrieden?

Liebe Leser,
den Wunsch des alten Droschkenkutschers morire con dio in pace – einmal mit Gott in Frieden sterben, den hat jeder. Aber eines ist klar: Dieser Wunsch braucht lange Vorbereitungszeit. Er muss jeden Tag neu eingeübt werden.


Pfarrer Stefan Mai

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