Einführung zur Matthäuspassion am Palmsonntag 2011

Predigt

Gestern haben unsere Kommunionkinder zum ersten Mal gebeichtet. Als Zeichen für das, was sie bedrückt, was ihnen auf dem Herzen liegt, haben sie einen Stein mit in den Beichtstuhl genommen. Nach der Beichte haben sie ihn mit Farben verziert als Zeichen dafür, dass aus Fehlern und Schuld etwas Gutes entstehen kann. Sie haben ihre verzierten Steine hier vorne um das Herz gelegt. Ich habe den Kindern den Vergleich erzählt, den im Mittelalter Johannes Tauler formuliert hat:

"Das Pferd macht den Mist in dem Stall, und obgleich der Mist Unsauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch dasselbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wächst der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da. Nun, der Mist, das sind deine eigenen Mängel, die Du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst, die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld, daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassenheit edle, wonnigliche Frucht auf."

Johannes Tauler rät, anstatt an seinem Unvermögen zu verzweifeln, geduldig und produktiv mit seiner Schuld umzugehen.

In diesem Jahr hören wir am Palmsonntag die Passion, wie sie uns der Evangelist Matthäus erzählt. Besonders dramatisch erzählt er, wie zwei Menschen völlig unterschiedlich mit ihrer Schuld umgehen:
Beide tun dasselbe: Petrus und Judas. Beide verleugnen und verraten sie ihren Freund.
Judas durch einen Kuss im Garten Gethsemani und Petrus vor zwei Mägden und den Leuten im Hof des Hohenpriesters.
Beide erkennen ihre Schuld, beide reut ihr Verhalten. Beide können nicht verstehen, was sie getan haben.
Von Judas heißt es: „Als er sah, dass Jesus zum Tode verurteilt war, reute ihn seine Tat.“
Von Petrus heißt es: „Und Petrus erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“

Aber die beiden gehen unterschiedlich mit ihrer Schuld um:
Bei Judas ist die Scham so groß, dass er in hoffnungsloser Verzweiflung versinkt und sich mit einem Strick erhängt.
Petrus glaubt an Vergebung. Er nimmt Jesus beim Wort. Er hatte ihn doch gefragt: Wie oft muss ich meinem Bruder verzeihen. Und er glaubt auch an die Antwort, die Jesus ihm damals gab: Nicht sieben Mal, sondern siebenundsiebzig Mal. Er wagt einen Neuanfang mit Jesus und wird im Matthäusevangelium zum Mann, auf den Jesus seine Kirche gründen will.

Für den einen wird eine Schuldgeschichte zur Tragik, den anderen führt sie zu neuer Lebensstärke.

Text nach der Kommunion

Und noch ein Fürsprecher: Simon von Cyrene.
Zum andern Mal hat er sich bekannt,
als sie schaudernd den Baum umstanden,
an dem sich Judas selber gerichtet.
Keiner wollte den Strick abschneiden.
Simon löste das Winzermesser
vom Gürtel und schrie:
„Berühr ihn nicht, er ist der Verräter!“
Simon lud sich den Toten auf
und trat aus dem Schatten. „Wo bist du gewesen,
als sie Jesus nach Golgotha schleppten?
Ich habe ihm sein Kreuz nachgetragen,
ich trage ihm auch den Judas nach“,
sagte er. Und sie wichen verstört.

Christine Busta


Pfarrer Stefan Mai

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