Ein Licht ist erschienen

Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Mt 4,12-17)

Predigt

Noch beherrscht die Dunkelheit das große Zirkuszelt. Nach einigen Augenblicken leuchtet ein Scheinwerfer auf und wirft einen Lichtkreis in das Rund der Manege. In viel zu großen Schuhen, in einem viel zu weiten Mantel und mit einem Köfferchen in der Hand watschelt der Clown Oleg Popov aus dem Dunkel und schreitet auf den Lichtfleck zu.
Kaum hat er ihn erreicht, lässt er sich nieder und räkelt sich darin, als wärme er sich in der Sonne. Doch dieses Vergnügen ist nur von kurzer Dauer; denn das Licht eilt an eine andere Stelle der Manege. Der Clown verfolgt es. Dieses Mal legt er sich mit seinem ganzen Körper auf das Licht, um es festzuhalten. Doch vergebens! Das Licht läuft ihm erneut davon. Der Clown probiert es noch einmal.
Jetzt versucht er, das Licht in seinen Koffer einzufangen. Es scheint ihm zu gelingen; denn als er den Koffer schließt, ist der ganze Zirkus dunkel. Dann öffnet er den Koffer und schüttet das Licht mit weiten Bewegungen in das dunkle Zelt. Im Zirkus wird es sonnenhell. Und alle atmen auf.

Eine packende Inszenierung von der menschlichen Sehnsucht nach Licht. Sie setzt ins Bild, wie gut Menschen Licht und Wärme tun. Und sie konfrontiert auch mit der Wahrheit: Wer Licht nur für sich einheimsen und hamstern möchte, der wird ihm ewig die Zunge hechelnd hinterherjagen. Hell wird es erst unter den Menschen, wenn man das Licht, das man empfängt, wieder an andere weitergibt.

Im heutigen Evangelium erzählt der Evangelist Matthäus das erste öffentliche Auftreten Jesu. Er stellt es unter ein symbolisches Bild aus dem Profeten Jesaja: „Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkeln lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“


Durch dieses Bild drückt der Evangelist Matthäus aus: Mit Jesus ist ein Hoffnungsschimmer in diese Welt getreten, ein Licht, zu dem Menschen aufschauen dürfen, das Orientierung gibt, das Wärme verbreitet, ein Licht, das denen ein Stück Angst nimmt, die am Rand stehen und in keine rosige Zukunft schauen. Und es scheint, als hätten die Menschen seine Botschaft: „Das Himmelreich ist nahe“ deswegen verstanden, weil vom Verkünder dieser Worte Wärme und Klarheit ausging.

Liebe Leser,
Wie gut dieses Licht tut, das Menschen auch heute auf vielfältige Weise weitergeben, das weiß jeder und jede von uns. Dieses Licht leuchtet auf vielfältige Weise:
Das Licht leuchtet in den Augen eines spielenden Kindes, einer glücklichen Mutter, eines stolzen Vaters, in der Begeisterung eines Jugendlichen.
Das Licht strahlt aus den Worten eines ehrlichen Kompliments, einer persönlichen Danksagung, einer scheuen Liebeserklärung.
Das Licht wärmt durch die Eindrücke einer zärtlichen Begegnung, eines gelungenen Festes.
In solchen Momenten können Menschen es glauben: Ein Stück Himmel ist da!

Fürbitten

Herr, unser Gott, das Auftreten Jesu umschreibt der Evangelist Matthäus mit dem Bildwort: das Volk, das im Dunkeln lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.“ Wir bitten dich:

Wir bitten für die Welt, in der viel Finsternis herrscht.
Für alle Menschen, die Hunger haben oder kein Dach über dem Kopf,
die der Verfolgung und Folter ausgesetzt sind,
deren Leiden uns hilflos und sprachlos macht.

Wir bitten für die Frauen und Männer, die große Verantwortung tragen in Kirchen und Gemeinden, in Politik und Wirtschaft.
Gib Klarheit in ihre Gedanken, dass sie ihren Einfluss zum Wohl der Welt einsetzen.

Wir bitten für die kleine Welt um uns herum,
für unsere Familien und Freundschaften,
für die Menschen, mit denen wir täglich zu tun haben,
für die Traurigen und Ängstlichen,
die Sorgenvollen und die Kranken.

Wir bitten für alle, die mit ihren Schattenseiten nicht fertig werden,
für alle, denen wir im Weg sind,
und für alle, die uns Schwierigkeiten machen.

Wir bitten dich für unsere Toten,
für die Toten, deren Namen in der Dunkelheit des Vergessens weilen,
und für die Toten, an die wir in diesem Gottesdienst besonders denken. Wir beten heute für ...

Herr, du bist das Licht der Welt. Sei unseres Fußes Leuchte auf dem Weg durch die Zeit, bis wir ankommen in deinem Licht. Amen


Pfarrer Stefan Mai

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