Was ist wahre Größe?

Predigt zum Sonntag der Taufe Jesu (Mt 3,13-17)

Predigt

Ich lese weder „Herzblatt“ noch „Bunte“ oder „Neue Post“. Ich kenne mich nicht aus in den Königshäusern und Fürstenhöfen Europas und habe keinerlei Durchblick bei den Adelsgeschlechtern Deutschlands. Normalerweise interessiert es mich nicht, welcher Thronanwärter welche Frau heiratet, welche Königin ein Kind bekommt oder wer an den Königshäusern wieder Liebeskummer hat. Es juckt mich wenig, wer auf welchem Schloss seinen Adelssitz hat, wieviel Tausende von Hektar Wald ein Thurn und Taxis oder Fürst zu Castell oder Löwenstein sein Eigen nennt. Aber heute früh bin ich beim Zeitungslesen im Gerolzhöfer Lokalteil beim Artikel über den Schlossherrn von Zeilitzheim ein wenig hängen geblieben, oder besser gesagt bei der angedeuteten Lebensphilosophe des 41-jährigen Alexander von Halem.
„Wir lieben und pflegen das Besondere und Einzigartige, das Kleine und Feine, das Schöne und Einfache, das Persönliche und Menschliche“ – mit diesen Worten beschreibt er, was seiner Familie wichtig ist. Auf seine Adelsherkunft und doch unaufdringliches und bescheidenes Auftreten angesprochen, meint er: „Das Adelsprädikat hat mich nie so geprägt, dass ich das Gefühl gehabt hätte, ich müsste etwas Besonderes sein. Nicht Adel ist das Wichtigste, sondern Persönlichkeit!“ Und es klingt wie eine Zusammenfassung seiner Lebensphilosophie, wenn er Giovanni Boccaccio zitiert: „Wer tugendhaft lebt und handelt, der legt seinen Adel an den Tag.“

Sicherlich haben mich diese Zeilen deswegen so angesprochen, weil mir das heutige Evangelium von der Taufe Jesu im Kopf herumging. Da erkennt ein Johannes der Täufer den „Adel“ Jesu nicht an seinen Titeln, nicht an seiner Herkunft, nicht an einem spektakulären Auftreten. Ein Johannes der Täufer erkennt Jesus an seinem bescheidenen Verhalten. Er ahnt von seiner Größe, wenn er zu Jesus sagt: „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ Aber dieser Jesus stellt sich in der Warteschlange unter der heißen Wüstensonne an und lässt sich nicht vornehm nach vorne winken. Er spürt etwas Neues auf sich zukommen, er fragt sich, was Gott von ihm in seinem Leben erwartet. Es treibt ihn um. Und so geht er zu dem Wüstenmann hinaus, stellt sich unter die Leute, um mit der Taufe ein Zeichen für die Ernsthaftigkeit seiner Suche nach dem, was Gott von ihm will, zu setzen.
Die Art und Weise, wie Jesus das tut, zeigt seine eigentliche Größe: Er will einmal für die Menschen da sein und für die „größere Gerechtigkeit Gottes“ eintreten. Aber er tut sich nicht hervor, „schreit nicht und lärmt nicht“, sondern sein Platz ist unter den Leuten. Sein Verhalten unter den Menschen wird seinen Adel an den Tag legen.

Wie zitierte noch einmal der Adelige Alexander von Harlem Giovanni Boccaccio: „Wer tugendhaft lebt und handelt, der legt seinen Adel an den Tag.“

Fürbitten

Herr, unser Gott, Jesus steht mitten unter den Menschen unerkannt. Doch Johannes erfasst seine Größe. Wir bitten dich:

Für alle, die sich für etwas Besseres halten, andere bewusst übersehen oder auf sie herabblicken

Antwortruf GL 358/3: Lasset zum Herrn uns beten...

Für alle, die sich ihrer Würde als Christ bewusst sind, sich aber darauf nicht ausruhen und sich in Dienst nehmen lassen

Für alle, die bescheiden bleiben, auch wenn sie viel können und viel für andere Menschen tun

Für alle, die sich im Leben aufrichtig bemühen, aber dafür nie Anerkennung finden

Für unsere Toten, die du in ihrer Größe und Schwäche kennst und die wir deiner Barmherzigkeit empfehlen. In diesem Gottesdienst beten wir für...

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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