In dulci jubilo

Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten 2010

Einleitung/b>

Das war ein beliebtes Reimspiel mit Kindern. Sie mussten immer nur das letzte Wort ergänzen.
Es war einmal ein … Mann. Der hatte einen … Schwamm. Der Schwamm war ihm zu … nass. Da ging er auf die … Gass.
Unter den Weihnachtsliedern gibt es etwas Ähnliches. Da reimt sich Sätzchen für Sätzchen. Und das sogar noch in zwei Sprachen. Sie kennen das Lied gut. Es steht heute im Mittelpunkt der Predigt.

Predigt

Orgel spielt In dulci jubilo betont im Walzertakt

Es gab einmal Zeiten in der Kirche, da haben die Pfarrer bei diesem Lied ihre Gemeinde eingeladen, miteinander zu schunkeln. Die Leute haben sich eingehenkelt und beim Singen des Liedes „In dulci jubilo“ die wiegenden Bewegungen mitgemacht.
In den Klöstern war es üblich, dass die Nonnen bei diesem Lied das Jesuskind aus der Krippe genommen und das Kind gewiegt haben.
Noch Tolleres wird vom großen süddeutschen Mystiker des 14. Jh. erzählt, von Heinrich Seuse. Der soll bei den Klängen dieses Liedes eine Vision gehabt haben. Ein Engel ist ihm erschienen und hat ihn eingeladen, mit ihm und allen anderen Engeln zu tanzen. Das ließ sich Seuse nicht zweimal sagen. Und immer mehr Engel kamen dazu. Miteinander sind sie im Walzertakt gesprungen und gehüpft. Und Seuse ist es so leicht ums Herz geworden, dass er alles Leid um sich herum vergessen hat.
In dulci jubilo, ein richtiger Weihnachtswalzer, der in Bewegung bringen und uns leicht und unbeschwert machen will.
Dieses Lied ist echt spielerisch. Sogar die einfachsten Leute lernen dabei ein paar Brocken Latein. Wie Gelehrte sprechen sie halb Latein halb Deutsch: „O Jesu parvule, nach dir ist mir so weh.“ Aber das sind nicht nur Sprachspielereien. Da steckt mehr dahinter: Da wird die übliche lateinische Liturgiesprache aufgebrochen und die Alltagssprache in den Gottesdienst eingeführt. Und das wagt ein Lieddichter schon im 14. Jh., lange vor der Reformation.
Und noch etwas: Der Lieddichter lädt die Leute zum Staunen ein – über das Wunder der Weihnacht. Im Lied formen sie genau die Laute, die uns von den Lippen gehen, wenn wir baff sind. Da heißt es: „Oh!. Und da heißt es „Ah!. Und sogar „O-je!“ Allerdings sehr schön auf drei Strophen verteilt.
Die erste Strophe ahmt das verwunderte „Oh!“ nach. Hören Sie mal beim Singen in sich hinein! Sie dürfen auch vorsichtig wiegen oder schunkeln:
GL 142,1 (Orgel + alle)
Die zweite Strophe steigert das verwunderte Schauen und macht das fast erschrockene „Oh-je!“ nach.
GL 142,2 (Orgel + alle)
Und die dritte Strophe schließlich lässt den Mund offen stehen: „Ah!“ staunt sie. Lauter „A“ in den Reimen.
GL 142,3 (Orgel + alle)<7i>

Liebe Leser,
ohne viel zu reden, in Gesang und Melodie, vermittelt das Weihnachtslied „In dulci jubilo“ eine versteckte Weisheit: Die beste Art, sich dem Geheimnis von Weihnachten zu nähern, ist nicht das Verstehen, sondern das Staunen; nicht distanziert betrachten, sondern sich von diesem Kind in Bewegung bringen lassen. Und das Lied macht mir vor: Glaube ist kein todernste Sache, sondern etwas Spielerisches. Er möchte Schwung ins Leben bringen. Glaube möchte froh machen.


Pfarrer Stefan Mai

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