Wie das Lied „Macht hoch die Tür...“ entstand

Vorstellungsgottesdienst der Kommunionkinder zum 1. Advent

Zelebrant
Wer die Fußnote unter dem Lied „Macht hoch die Tür...“ studiert, liest dort: „Text: Georg Weissel 1623“. Georg Weissel wurde im Jahr 1590 in Ostpreußen geboren. In Königsberg studierte er Musik und Theologie. Nach seinem Studium war er Rektor in Friedland. Mit 33 Jahren wurde ihm die Pfarrstelle an der neuerbauten „Alt-Rossgärtschen Kirche“ in Königsberg angeboten. Weissel nahm das Angebot an und wurde dort Pfarrer, mitten in den Wirren des 30-jährigen Krieges. Kein Wunder dass in diesem alten Lied so stark die Sehnsucht nach einem König und Herrscher ist, der durch die Tore einzieht und Frieden bringt. Aber die eigentliche Entstehung des Liedes verdanken wir zwei Tagen im Advent in Königsberg.

- Folie vom Schneetreiben -

Lektor/in
Ein heftiger Nordoststurm pfiff wieder von der Samlandküste herüber und brachte viel Schnee nach Königsberg. Georg Weissel war gerade in der Nähe des Domes unterwegs. Die Schneeflocken klatschten den Menschen auf der Straße gegen das Gesicht, als wollten sie ihnen die Augen zukleben. Wer in der Nähe des Domes war, lief auf den Dom zu, um vor der widrigen Witterung Schutz zu suchen. Zur Überraschung der Leute öffnete der freundliche und humorvolle Küster mit einer tiefen Verbeugung die Tür und meinte: „Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob reich oder arm, ob Patrizier oder Tagelöhner, ob bekannt oder fremd. Sollen wir nicht hinausgehen auf die Straßen, an die Zäune und alle hereinholen, die kommen wollen? Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen und heißt jeden willkommen.“

- Folie Offene Tür -

Pfarrer Georg Weissel schüttelte den Schnee von seinem Gewand ab, klopfte dem Küster auf die Schulter und sagte: „Ihr habt mir eben eine ausgezeichnete Predigt gehalten!“ Er blieb mit den Leuten noch eine Zeit lang im Vorraum des Domes stehen, bis sich das Unwetter gelegt hatte. Andauernd schaute er zu dem hohen Portal hoch und schon fing es in seinem Kopf zu arbeiten an:
Macht hoch die Tür die Tor macht weit.
Es kommt der Herr der Herrlichkeit.
Ein König aller Königreiche
Ein Heiland aller Welt zugleich.
Georg Weissel ging nach Hause, nahm die Bibel und las den Psalm 24, der von den geöffneten Toren des Tempels erzählt und schrieb binnen kurzer Zeit sein bekanntes Adventslied.

- Folie Betreten verboten -

Neben der Alt-Rossgärtschen Kirche hatte der Geschäftsmann Sturgis ein Schlösschen gebaut und erwarb sich noch das angrenzende Wiesenstück. Es ärgerte ihn, dass die Leute aus dem Armen- und Siechenheim immer über die Wiese als Abkürzung in die Stadt und in die Kirche gingen. So ließ er das Wiesengrundstück mit einem Zaun versehen und ließ die Tore schließen. Damit war den alten Leuten nicht nur der nahe Weg in die Stadt, sondern auch zur Kirche versperrt. Sie mussten jetzt eine weite, mühevolle Strecke zurücklegen. Dafür reichten die Kräfte vieler Heimbewohner nicht mehr aus. Die Forderungen der Stadtväter und zahlreicher Bürger, die Gartentore doch wieder für die alten Leute zu öffnen, stießen bei Herrn Sturgis auf taube Ohren.

Pfarrer Georg Weissel trommelte seinen Kirchenchor zusammen und nahm auch zahlreiche arme und gebrechliche Leute aus dem Heim mit und zog zusammen mit ihnen vor das Haus des reichen Geschäftsmannes. Nachdem der Chor vor dem Gartentor Sturgis Aufstellung genommen hatte, hielt Weissel eine kurze Predigt. Er nahm sich kein Blatt vor den Mund und sprach von der hochmütigen Verblendung, mit der viele Menschen dem König aller Könige, der ja auch das Kind in der Krippe sei, die Tore ihres Herzens versperrten, sodass er bei ihnen nicht einziehen könne. Mit erhobener Stimme fuhr er fort: „Und heute, lieber Herr Sturgis, steht er vor eurem verriegelten Tor. Ich rate euch, ich flehe euch an bei eurer Seele Seligkeit, öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein, ehe es zu spät ist.“

Er hatte das letzte Wort noch nicht gesprochen, als der Chor zu singen begann: Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt...“ Sturgis stand wie angewurzelt da. Kurz vor der Beendigung des Liedes griff er zum Erstaunen aller in seine Tasche und brachte einen Schlüssel zum Vorschein.

- Folie Schlüssel -

Betreten ging er auf das verschlossene Tor zu und sperrte es auf. Und von diesem Zeitpunkt an wurde es nie mehr verschlossen. Die Heimbewohner hatten ihren kurzen Weg zur Kirche wieder, der noch lange in Erinnerung an diesen denkwürdigen Tag „Adventsweg“ genannt wurde.

- Folie Herzlich willkommen -

Zelebrant
Liebe Kommunionkinder,

Bei unserem ersten Kirchenstündchen standen wir draußen vor der Kirchentür und betrachteten auf der Marktplatzseite das Portal unseres Steigerwalddomes. Uns fiel das gotische Maßwerk über der Tür auf mit seinen reich verzierten Ornamenten. Ich war paff als ihr auf die Idee gekommen seid: Da hat der Steinmetz Blumenmuster und geschwungene Herzen hineingemeißelt! Was soll das anderes bedeuten als ein „herzliches Willkommen“ an alle, die durch dieses Portal in die Kirche eintreten?
Wie sagte damals der Küster zum Dichter unseres Liedes „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“:
„Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob reich oder arm, ob Patrizier oder Tagelöhner, ob bekannt oder fremd. Sollen wir nicht hinausgehen auf die Straßen, an die Zäune und alle hereinholen, die kommen wollen? Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen und heißt jeden willkommen.“
Ihr habt mit bunten Farben selbst ein großes Banner gemalt, das über unserem schönen Kirchenportal bis zum weißen Sonntag seinen Platz finden wird. Ein Wort steht darauf: „Willkommen!“ Die Einladung gilt jedem, der an unserer Kirche vorbeigeht. Und sie gilt ganz besonders auch Euch und Euren Familien.


Pfarrer Stefan Mai

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