Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott?

Predigt zum Christkönigssonntag 2010 (Lk 23,35b-43)

„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“ Wir alle kennen dieses Sprichwort und wissen, was damit gemeint ist: Du musst selbst aktiv werden, die Sache selbst in die Hand nehmen. Probleme lösen sich nicht allein. Sie lösen sich auch nicht, wenn du sie einfach dem lieben Gott überlässt. Du musst selbst etwas tun!
Wie oft höre ich: „Mein ganzes Leben lang habe ich anderen geholfen, und jetzt, wenn ich selbst Hilfe bräuchte, hilft mir keiner!“ Hinter solchen Worten steckt die große Enttäuschung: Es lohnt nicht, zu anderen gut zu sein.
„Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“ Es lohnt sich nicht, zu anderen gut zu sein. Da gibt es einen, der hat ein Leben lang anders gehandelt: Hat immer ein besonderes Auge gehabt gerade für die Hilfsbedürftigen.
Da gibt es einen, der erzählt die schöne Geschichte von dem Samariter, der einfach hilft – ohne Dankbarkeit zu erwarten. Da hat einer als Lieblingsthema bei seinen Predigten: Gebt, ohne etwas zurück zu erwarten (vgl. Lk 6,35).
Und da hat einer fest daran geglaubt: Wer Gott bittet, der empfängt. Wer bei ihm anklopft, der wird nicht bei verschlossener Türe abgefertigt. Wer bei Gott Hilfe sucht, der findet sie.
Und jetzt am Ende hängt er da. Völlig hilflos. Festgenagelt. Schlimmere Ohnmacht gibt es nicht. Und gleich dreimal wird es ihm spöttisch unter die Nase gerieben: „Andern hat er geholfen. Nun soll er sich selbst helfen!“, witzeln die führenden Köpfe in Jerusalem. Es gleicht einer Verhöhnung, wenn die Soldaten spötteln: „Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!“ Und sogar der elende Schächer schlägt in die gleiche Kerbe: „Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!“
Mit diesen Verspottungsszenen wird das Lebenswerk Jesu in Frage gestellt. Seine selbstlose Art. Sein Gottvertrauen. Sich die Haken für andern abwetzen – und nicht an sich selbst denken. Schärfer als mit diesem Spott kann man nicht anfragen: Und – was hat das alles gebracht? Siehst du’s endlich ein, dass dann alle weg sind, wenn du sie selbst braucht? Dein lieber Gott – und die Menschen sowieso!
Und wie reagiert Jesus? Er schweigt dazu. Und: Er hilft. Ein letztes Mal. Dem Schächer. Und auch bei diesem letzten Mal: Er hilft, ohne zu fragen: Und wer hilft mir?
Kann es etwas Überzeugenderes geben?


Pfarrer Stefan Mai

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