Von Knechten und Herren

Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis (Lk 12,35-45)

Bertolt Brecht schrieb 1940 im finnischen Exil sein Theaterstück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“. Darin erzählt er:
Der reiche Gutsbesitzer Puntila lässt sich seinen Herrn groß heraushängen. Aber immer, wenn er sich betrinkt, wird er menschlich und entdeckt seine soziale Ader. Er wird gütig und verständnisvoll und seine Knechte erkennen ihn nicht wieder. Als er eines Abends wieder sternhagelblau ist, trinkt er mit seinem Knecht Matti auf Bruderschaft und will ihm sogar seine Tochter zur Frau geben. Matti weiß aus Erfahrung, was ihm blüht, wenn sein Herr wieder nüchtern wird und möchte das Spiel seines Herren nicht mehr länger mitspielen. Er verlässt den Herrn mit den Worten: „Es wird Zeit, dass Knechte dir den Rücken kehren. Den guten Herrn, den finden sie geschwind, wenn sie erst ihre eigenen Herren sind!“

Bert Brecht rebelliert mit diesem Stück gegen eine Gesellschaft, die in Klassen eingeteilt ist und probt den Aufstand der unteren Schichten gegen die Herrenschicht. Und er thematisiert damit den uralten Traum, dass eine ungerechte Gesellschaftsordnung auf den Kopf gestellt wird. Dass auch die einmal etwas zu sagen haben, die andauernd nur nach oben schauen müssen und zu spuren haben. Aber wäre dadurch mehr Gerechtigkeit auf der Welt? Die Erfahrung lehrt doch, dass gerade Menschen, die nach oben kommen und aufsteigen, oft recht schnell ihre Herkunft vergessen und sich noch viel machtbesessener gebärden als so mancher Herr - und alles andere sind als gute Herren.

Davon erzählt das heutige Evangelium. Ein Knecht wird vom abwesenden Herrn als Verwalter eingesetzt. In kürzester Zeit hat er an der neuen Position Geschmack gefunden und spielt sich als Herr oder besser gesagt als richtiger Macho auf. Den anderen Untergebenen geht es schlechter als zuvor. Ihr früherer Mitknecht tyrannisiert sie und schüchtert sie mit Schlägen ein. Er selbst jedoch verschafft sich hemmungslos allen Luxus und genießt das Leben. Die Rollen sind umgekehrt. Ein Knecht wird Herr. Aber es ändern sich nicht die Zustände.

Seine besondere Pointe gewinnt dieses Gleichnis durch die Situation. Es dient als Antwort auf die Frage des Petrus: „Herr, meinst du nur uns oder auch alle anderen? Und Jesus gibt mit dem Gleichnis eine verklausulierte Antwort. Er macht klar: Ihr seid in besonderer Weise angesprochen, d.h. die Gemeindeleiter, die Amtsträger, für die Petrus als Sprecher auftritt. Mit dem Gleichnis will der Evangelist alle, die in den christlichen Gemeinden eine Führungsposition innehaben, auf die Spur führen, selbst zu erkennen: Ihre Autorität ist nur geliehene Autorität. Herrschaftsstrukturen von Herren und Knechten sind nicht im Sinne Jesu. Herren und Knechte im eigentlichen Sinn des Wortes gibt es für Jesus nicht. Das erzählte Gleichnis ist somit ein steter Gewissensspiegel für alle Männer und Frauen, die in einer christlichen Gemeinde Herrschaftsgelüste entwickeln und über andere befehlen wollen. Ein solches Verhalten bedeutet, dass sie ihren eigentlichen Herrn vergessen haben.

Liebe Leser, für mich ist Jesus ein guter Psychologe. Er hat nie den Traum des Kommunismus geträumt von der verordneten Gleichheit aller. Dieser lässt sich per Manifest nie in die Realität umsetzen. Jesus macht nur mit aller Deutlichkeit klar: Wem Führungspositionen und besondere Verantwortung anvertraut wurden, von dem wird Gott mehr verlangen als von anderen. Wem im Leben besondere Begabungen geschenkt wurde, von dem erwartet er mehr als von anderen, die scheinbar das Nachsehen haben. Und das Lukasevangelium macht an anderer Stelle wiederum mit einem Herren- und Knechtsgleichnis klar: Menschen werden zu diesem herrschaftsfreien Verhalten nur fähig sein, wenn sie ihren eigentlichen Herrn nicht vergessen und sein Vorbild vor Augen haben: Spät in der Nacht kommt der Herr nach Hause. Seine Knechte haben auf ihn gewartet und öffnen ihm die Tür. Und da lässt sie der Herr Platz nehmen am Tisch und bedient sie der Reihe nach.

Die Idee verdanke ich Hans-Josef Klauck, Im Machtfeld der Liebe, Würzburg 1992, S.55-59


Pfarrer Stefan Mai

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