Getrennte Tische sind ein Skandal!

Predigt zum ökumenischen Glaubensfest in Gerolzhofen am 9. Mai 2010

Thematische Hinführung zum Gottesdienst

Nichts kann besser das ökumenische Großraumklima ins Bild fassen wie das derzeitige Wetter:
Etwas unterkühlt, ziemlich Wolken behangen, ein kalter fröstelnder Wind. Hoffnung auf bessere Wetterprognosen, hin und da ein paar kurze Lichtblicke durch die Wolken, dann wieder ein kalter Sprühregen. Immer wieder zum Himmel blicken, in der Hoffnung dass die vielen Vorbereitungen, Anstrengungen und Mühen so vieler Menschen nicht zunichte gemacht werden.
Und was ich von einem Mann auf der Straße in Bezug auf das Wetter für das Wochenende gehört habe, das gilt für mich auch für die ökumenische Bewegung. Er meinte: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Feiern wir heute diesen Gottesdienst im Vorfeld zum ökumenischen Kirchentag, der am Donnerstag in München beginnt und unter dem Motto steht: „...damit ihr Hoffnung habt“ oder wie wir unseren kleinen Kirchentag in Gerolzhofen genannt haben „:.. auf dem Weg der Hoffnung“.

Predigt

Getrennte Tische haben Paulus aufgeregt. Damals um das Jahr 50 in Korinth. Da konnte er sich grün und blau ärgern über den üppigen „Tischlein deck dich“, an dem die Reichen saßen, während die armen Säcke noch als Sklaven schuften mussten. Wenn die dann zu später Stunde müde zum gemeinsamen Abendmahl endlich dazukamen, hatten die Reichen schon volle Bäuche und waren in weinseliger Laune - den armen Schluckern knurrten die Mägen bei der frommen Handlung. Das ist ein Skandal!, moniert Paulus. Das verträgt sich nicht mit der Idee eines gemeinsamen Abendmahls. Ohne menschliche Kommunikation, ohne ein Stück Lebensgemeinschaft, ohne aufeinander schauen, ohne aufeinander warten, ist Kommunion ein Verrat!

Hinter den getrennten Tischen steckt etwas Tieferes. Dahinter steckt Apartheid! Die Einstellung: Mit dir will ich nicht essen, denn ich bin anders als du. Mit dir will ich nichts zu tun haben, denn ich will anders sein als du. Hinter getrennten Tischen steckt die Angst: Ich verliere die Einzigartigkeit, wenn ich mich mit dem anderen an einen Tisch setze. In den 60er Jahren habe ich es als Kind noch erlebt, wie es beim Kretschmar in Schweinfurt das Bauernabteil mit den harten Stühlen gab und das Vornehmerenabteil mit den gepolsterten.

Getrennte Tische sind ein Skandal. Was in Korinth lokal abging, das geht heute global ab. Die „Kreakids“ aus Hamburg haben es uns mit ihrem Spiel vor Augen geführt. Wie viele Länder mit Hungers- und Existenzsorgen schielen auf die überladenen Tische der reichen Länder. Und was setzen die Reichen alles dran, um sich die Armen vom Hals zu halten. Diese Apartheid wird auch in unserer Gesellschaft raffiniert und verdeckt über den Geldbeutel immer mehr ausdifferenziert: Ich bin schließlich anders als du.
Und selbst wer nur Wasser trinkt, um seine Libellentaille zu erhalten, will auf einem anderen Niveau stehen als die anderen, will anders sein. Hat sich an der Praxis der getrennten Tische seit Korinth etwas geändert? Diese Frage stellten uns die „Kreakids“.

Getrennte Tische sind ein Skandal! Das ist die Botschaft des Paulus. Einheit das Glaubwürdigkeitszeugnis Nr. 1 im johanneischen Abschiedsgebet Jesu: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.

Getrennte Tische sind ein Skandal!
Das wissen und spüren wir auch als Christen, vom Bischof bis zum einfachsten Mann, vom geschultesten Theologen bis zu den vielen Menschen, die mit ihrer tiefen Herzensfrömmighkeit den religiösen Profis oft weit überlegen sind. Und doch sind wir noch nicht fähig, die Brücken zu bauen, uns ohne innere Vorbehalte an einen Tisch zu setzen. Wie damit fertig werden?

Ich bin überzeugt: Die trockenen, langen, um Formulierung ringenden Theologensitzungen, in denen die Amtsfrage erörtert wird, werden in der Luft hängen bleiben, wenn wir nicht den Weg über die gemeinsamen Tische im Alltag gehen. Der heutige Tag, der heutige Gottesdienst, in dem wir uns ganz schmerzlich diese Trennung vor Augen halten und bewusst auch aushalten, wären nicht möglich, wenn nicht evangelischer Kirchenvorstand und katholischer Pfarrgemeinderat an einem Tisch zusammensitzen könnten, wenn nicht die Telefonleitungen und die Wege zwischen den beiden Pfarrhäusern kurz wären, wenn der evangelische Nachbar nicht mit seinem katholischen über den Gartenzaun plaudern würde. Und es macht mich nachdenklich, was der schwäbelnde Kurienkardinal Walter Kasper, Ökumene-Spezialist der Katholischen Kirche, erzählt hat. Er hat in der ökumenischen Arbeit eine wichtige Erfahrung gemacht. Die Erfahrung: „Wenn man miteinander isst und zusammen spazieren geht, dann entsteht Vertrautheit. Nur so kann die Sorge überwunden werden, der andere möchte mich über den Tisch ziehen.“

Liebe evangelische und katholische Christen,
ich spüre, in Gerolzhofen gehen wir gerade diesen kleinen ökumenischen Weg des Alltags. Das ist für mich ein Weg der Hoffnung. Lasst uns diesen Weg heute hier in der Kirche gehen und mit Inbrunst singen: „Lass uns eins sein Jesu Christ, wie du mit dem Vater bist...“(GL 644/7) und lasst uns draußen auf dem Marktplatz diese Hoffnung an den Tischen feiern und sie uns gegenseitig spüren. Wenn die große Hoffnung einmal in Erfüllung gehen wird, dann waren die vielen kleinen ökumenischen Wege des Alltags die Wegbereiter.

Fürbitten

Lasst uns beten zu Gott, unserem Vater, für alle Kirchen und Gemeinden, die sich christlich nennen:

Dass wir uns nicht abfinden mit der Teilung und Trennung der Christenheit, die ein Skandal, ein Ärgernis vor der Welt und ein Verrat an Christi Auftrag ist...

Dass wir ablegen Pharisäertum und Hochmut, Fanatismus und Enge, das Vorurteil und die Voreingenommenheit, als ob die anderen immer weniger und wir selbst immer mehr an Glaube, Hoffnung und Liebe hätten...

Dass wir ernst machen mit der ökumenischen Bewegung, den anderen Bruder, die andere Schwester von Herzen suchen und annehmen, wie sie geworden sind, sie achten und tolerieren und endlich noch bestehende Grenzen und Mauern abbauen...

Dass wir auf dein Wort gemeinsam hören und ihm gehorchen und in dieser Wahrheit uns finden wie auch im Abendmahl, das alle verbindet...

Dass wir den begonnenen Weg weitergehen, guten Willens und stetig, um zum Frieden und zur Versöhnung zu kommen, zum Lobe Gottes und zur Glaubwürdigkeit vor der Welt...

Gott, sammle deine Kirche, rufe sie zusammen in deiner Macht und mache sie eins unter ihrem Hirten und Herrn Jesus. Darum bitten wir dich heute durch Christus, unsern Herrn. Amen


Pfarrer Stefan Mai

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