Predigt zur abgeschlossenen Orgelrenovierung und Aufstellung einer Marienstele am 2. Mai 2010

Kennen Sie dieses alte Volkslied?

- Orgel spielt die Melodie „Hab oft im Kreise der Lieben“... -

Hab oft im Kreise der Lieben im duftigen Grase geruht,
und mir ein Liedchen gesungen, und alles war hübsch und gut.


Dieses alte Volkslied, das auf ein Gedicht von Adalbert von Camisso zurückgeht, erzählt vom Geschenk der Musik, vom Geschenk, singen zu können. In wieviel schönen und glücklichen Stunden, wenn einem das Herz übergeht oder es etwas zu feiern gibt, kann ich dankbaren Herzens durch ein Lied ausdrücken: „und alles ist hübsch und gut.“

So ist für Martin Luther die Musik die schönste Gabe Gottes. Aber er empfiehlt auch die Musik als eine Therapie gegen die Depression. Und unser Volkslied will dazu ermutigen, auch in Traurigkeit zu singen und glaubt daran, dass ein trauriges Herz durch Singen wieder aufgefrischt wird:
Hab einsam auch mich gehärmet in langem düsteren Mut
und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut.

- Orgel improvisiert Volkslied in dunklen Klängen, die sich auflösen -

Und gegen einen „sauren Geist“ empfiehlt der studierte Magister der Künste als Therapie - ebenso wie das Volkslied - Musik und Gesang:
Und manches, was ich erfahren, verkocht ich in stiller Wut,
und kam ich wieder zu singen, war alles auch wieder gut.

- aggressive Improvisation zum Lied, die sich wieder beruhigt -

Und in der letzten Strophe höre ich fast den Ratschlag unseres alten Kirchenliedes heraus, das meint, die Sorgen helfen dir nicht und schon gar nicht das Jammern über dein Weh und Ach und rät deshalb lieber zu singen. Das Volkslied kleidet dies Überzeugung in die Worte:
Sollst uns nicht alles klagen, was alles dir wehe tut.
Nur frisch, nur frisch gesungen und alles wird wieder gut.

- Moll in Dur -

Ich denke, auch Sie haben schon manchmal den Gesang in unserer Kirche als Ausdruck des Glücks und der Freude, aber auch als Therapie gegen Traurigkeit, Aggression und Jammerei erfahren. Und immer begleitet uns in diesen Gefühlslagen die Orgel. Was wäre ein glücklicher Tag einer Hochzeit ohne die schmetternde und triumphierende Orgel.
Was für ein Segen, wenn ich in einen Gottesdienst mit vollem Kopf und vollem Terminkalender komme und ein Organist versteht es, mit ruhigen, harmonischen Klängen meine Seele zu streicheln. Welch ein Trost kann davon ausgehen, wenn die Orgel beim Requiem in der Trauer um liebe Menschen den stockenden und tränenangereicherten Gesang noch trägt.
Und wie kann ein volles Tutti unter die Haut gehen, wenn eine Gottesdienstgemeinde mit dankbaren Herzen und voller Brust bei einem Fest „Großer Gott wir loben dich..“ singt.
Nach meiner Primiz erhielt ich von einer fremden Frau einen Brief, in dem sie mir die Worte schrieb: „Wissen Sie, was mich bei Ihrem ersten Gottesdienst am meisten beeindruckt hat? Dieses bombastische te deum einer Kirchengemeinde.“

Zwischen Pieta und Himmelskönigin

In unseren katholischen Kirchen sind es nicht nur die Orgeln, die uns in den verschiedensten Stimmungen des Lebens abholen, unsere Freude zum Ausdruck bringen, unsere Emotionen und Gefühlsregungen aufnehmen. Was uns die Orgel über das Ohr wahrnehmen lässt, das vermitteln uns die Marienfiguren über die Augen. Man kann die ganze Bandbreite des Lebens in unseren Marienfiguren unterbringen. Zwischen der Pieta, der schmerzhaften Mutter Gottes und der lächelnden Mutter mit ihrem Kind bis hin zur Himmelskönigin kann ich mich mit meinem Leben einordnen.
Wie viele Menschen saßen schon vor einer schmerzhaften Mutter Gottes und haben vor ihr still oder laut geweint in der Sorge um Kinder, im Schmerz um einen lieben Menschen, in dem Ruin der Existenz und in der Ausweglosigkeit einer Krankheit - und haben eine kleine Kerze angezündet, in der Hoffnung, dass ihnen in den Nächten des Lebens ein kleines Licht der Hoffnung schimmert und ihnen die Kraft zuwächst, das Schwere auszuhalten. Und für wieviele Menschen war und ist eine Mutter mit dem Kind oder eine Himmelskönigin der Ort, wo man seine Freude, seine Zuversicht und seinen Dank hinträgt.

So denke ich, ist dieser Gottesdienst, in dem uns Kantor Karlheinz Sauer die renovierte Orgel ganz bewusst wieder einmal mit ihrem reichen Gefühlsleben unter die Haut gehen lässt, auch eine gute Gelegenheit, unsere glückliche, dankbar zum Himmel schauende Marientragefigur auf die neu angefertigte Stele in die Nähe unserer Pieta stellen. Die Kerzchen, die zwischen den beiden Figuren in Zukunft in unserer Kirche angezündet werden, sie werden von Freud und Leid, von Sorgen und Trost, von Angst und Zuversicht, von Geborgenheit und Verlassenheit von Menschen erzählen. Wer sich vor die beiden Marienfiguren unserer Kirche stellt, der wird spüren: Zwischen der Pieta und der Himmelskönigin, da spielt sich dein Leben ab. Und da kannst du auch dein gesamtes Leben unterbringen.

Zwei Frauen und zwei Männer nehmen die Tragemadonna und bringen sie zur neuen Stele - die Orgel improvisiert zwischen „Christi Mutter stand mit Schmerzen“ und „Freu dich du Himmelskönigin“ hin und her.

Fürbitten

Unsere Gottesdienste und Kirchenräume möchten für uns Menschen eine Lebenshilfe sein. Gott, wir bitten dich:

Unsere Kirchenräume versammeln Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Schichten.
Schenke uns das Gefühl der Zusammengehörigkeit und lass uns in unseren Gottesdiensten auch Gemeinschaft erleben

In unseren Gottesdiensten hören wir auf dein Wort.
Lass uns im Hören auf dein Wort immer wieder Stoff zum Nachdenken und Impulse für unser Leben und Handeln entdecken

In unseren Gottesdiensten hören wir Musik und singen Lieder.
Lass uns die heilende Kraft der Musik und des Singens erspüren

In unseren Kirchenräumen sehen wir Bilder und Kunst.
Lass uns im Anschauen der Bilder uns selbst besser verstehen.

In unseren Gottesdiensten schauen wir auf das himmlische Jerusalem.
Nimm alle unsere Verstorbenen auf zu dir, wo es keine Trauer und Tränen mehr gibt. In diesem Gottesdienst beten wir für...

Darum bitten wir dich durch Christus, unsern Herrn


Pfarrer Stefan Mai

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