Abtauchen hilft nicht!

Predigt zum 2. Ostersonntag C (Joh 21,1-19)

So kennen wir es aus spannenden Krimis: Die Wahrheit kommt oft erst dann an den Tag, wenn der Täter mit der Szenerie des Tatorts konfrontiert wird, wenn der Tatvorgang vor seinen Augen nachgespielt wird. Dann holt ihn die Vergangenheit ein. Dann kann er sich nicht mehr drücken. Dann kommen Emotionen hoch. Dann übermannt es den Täter. Er steht zu seiner Tat.
So kennen wir es aus spannenden Krimis. Genauso geht Jesus im Johannesevangelium vor. Der Täter, den er mir seiner Tat konfrontiert ist kein anderer als Petrus.
Wie komme ich auf diese Idee?
Es heißt (im heutigen Evangelium): Als die Jünger an Land gegangen waren, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen … (V. 9). Die Hörer, die die Passion noch im Ohr haben, erinnern sich sofort an die Szene, wo ebenfalls ein Kohlenfeuer gebrannt hat: im Hof des Hohenpriesters. Und es ist dieses Kohlenfeuer, an dem Petrus seinen Herrn dreimal verleugnet: „Nein, ich bin nicht sein Jünger“ (18,17.26.27).
Jetzt versteht man auch besser, warum Petrus ins Wasser springt, als ihm der Lieblingsjünger sagt: Der Fremde am Ufer – das ist der Herr. Meistens denkt man: Petrus ist so begierig, wieder bei seinem Herrn zu sein, dass er ihm sofort entgegenschwimmen will. Aber davon kann keine Rede sein. Denn Petrus stößt ja als letzter zur Gruppe am Ufer. Alle sind schon an Land – da taucht Petrus erst einmal auf und tut so, als würde er das Netz das letzte Stück an Land ziehen. Nein: Wenn ich die Geschichte im Johannesevangelium richtig lese, dann wollte Petrus Jesus nicht möglichst schnell entgegenschwimmen. Er wollte abtauchen. Ihm wird mulmig, als er hört: Am Ufer – das ist der Herr.
Aber sein Abtauchen hilft ihm nichts. Jesus geht nicht einfach vorüber. Er wartet am Ufer – auf die Jünger, und auf ihn. Und eigens für Petrus hat er das Kohlenfeuer angezündet. Petrus wird mit seiner Vergangenheit konfrontiert.
Und auch das reicht Jesus noch nicht. Dreimal fragt er Petrus vor allen anderen: Liebst du mich? Ausgerechnet dreimal. Genauso oft, wie Petrus Jesus verleugnet hat. Beim dritten Mal packt es Petrus. Ihn erfasst Schmerz und Trauer.
Aber zugleich ist das der Start für einen Neuanfang. Was Jesus immer sagt, wenn er einen Menschen neu in seine Nachfolge beruft, das sagt er – jetzt auch – zu Petrus: Folge mir nach! (V. 19)
Keine Frage: Das Johannesevangelium geht hart mit Petrus um. Dem Johannes-Evangelisten reicht es nicht (wie es in den anderen Evangelien erzählt wird), dass Petrus nach der Verleugnung hinausgeht und still für sich Reuetränen vergießt (vgl. Mk 14,72).
Das Johannesevangelium erzählt: Jesus konfrontiert diesen Petrus, der schon wieder begonnen hat, sich zum Sprecher der ganzen Gruppe zu machen, mit seiner Vergangenheit. Vor allen anderen muss er sich dem Verleugnungs-Kohlenfeuer und dem dreimaligen Verleugnungs-Kreuzverhör stellen – bis es ihn endgültig packt. Dann erst kann etwas Neues beginnen. Dann erst beginnt die wirkliche Nachfolge des Petrus.
Liebe Leser, ich bin dankbar für diese harte Geschichte aus dem Johannesevangelium. Denn sie sagt mir: Es hat keinen Sinn, vor dunklen Geschichten in deiner Vergangenheit davonzulaufen. Abzutauchen, wenn du daran erinnert wirst. Hör auf die Petrus-Ostergeschichte im Johannesevangelium: Stell dich deiner Vergangenheit. Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn es dich dann packt. Das ist die Geburtsstunde für einen Neuanfang.
Und, liebe Zuhörer, ich bin dankbar, dass diese Geschichte im Neuen Testament steht und in diesen schweren Zeiten unserer Kirche überall auf der Welt in den Gottesdiensten laut verlesen wird: hier in Gerolzhofen genauso wie in Würzburg, Regensburg, Augsburg und Rom. Ich bin dankbar dafür, dass es eine Stimme aus den heiligen Schriften ist, die den Mut hat, dem Petrus, der schon damals als Sprecher der Christenheit auftritt, einen Spiegel vorzuhalten – und ihm sagt: Hirt der Herde Jesu Christi kannst du nur sein, wenn du dich deiner Vergangenheit stellt. Abtauchen hilft nicht. Nur wenn du dem Kohlenfeuer ins Auge schaust und dich vor allen anderen den quälenden Fragen stellst – wirst du von Jesus von neuem als Jünger berufen, wird deine wirkliche Nachfolge erst beginnen.


Pfarrer Stefan Mai

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