Nichts wie weg!

Predigt zum Ostermontag 2010

Einleitung

Von Mutter Theresa gibt es die kleine Geschichte: als ein Reporter sie fragte. „was oder wer muss sich ändern an der Kirche“, blickte sie ihm tief in die Augen und sagte: Sie und ich!

Predigt

Nichts wie weg! denken sich die Emmausjünger. Von diesem Jesus und seinem Club ist nichts mehr zu erwarten. Nur das Gefühl von Enttäuschung bleibt übrig. Was haben sie alles an Kraft und Zeit investiert, größte Hoffnungen in die Jesusbewegung gesetzt. Und dann: Alles kläglich gescheitert. Sie wollen abschließen mit diesem Kapitel. Nichts wie weg!
Nichts wie weg! Diesen Eindruck hat man, wenn man sich die rapide angestiegenen Kirchenaustrittszahlen in den vergangenen Wochen vor Augen führt. Die Katholiken laufen der Kirche davon. Von diesem Club ist nichts mehr zu erwarten, denken sich viele. Mit diesem Haufen will ich nichts mehr zu tun haben. Nur das Gefühl von Enttäuschung bleibt übrig.
Finanziell ist das eine Katastrophe für eine Großorganisation wie die Kirche, die an vielen Stellen der Gesellschaft Verpflichtungen eingegangen ist: in der Betreuung von Behinderten, in der Pflege der alten Menschen oder in der Begleitung von Familien am sozialen Abgrund. In den USA haben ganze Diözesen ihre Arbeit einstellen müssen, weil sie den Glaubwürdigkeitsverlust und die Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer nicht überleben konnten.
Dass auch in Deutschland viele jetzt die katholische Kirche verlassen, ist für mich verständlich. Und es ist für mich auch verständlich, dass die meisten, die der Kirche den Rücken kehren, von ihr erst einmal in Ruhe gelassen werden wollen.
Im Gegensatz zu den Emmausjüngern wären sie sicher nicht bereit, einem kirchlichen Vertreter stundenlang zuzuhören und mit ihm über den Grund ihrer Enttäuschung zu diskutieren. Wenn es überhaupt zu einem Emmauserlebnis kommen soll, dann wird es darauf ankommen, ob die von der Kirche Enttäuschten noch einmal erfahren dürfen: Kirche, das ist ein Raum, in dem Lebensbrot gereicht wird.
Da werden nicht große Worte geschwungen, da wird nichts aufgedrängt, da wird nichts vorgeschrieben, da weiß man nicht alles besser, sondern da sind Menschen: mit denen bist du gerne zusammen, die möchtest du am liebsten einladen, die teilen von ihren Lebenserfahrungen mit, die lassen sich auf deine Fragen ein und werfen in dir neue Fragen auf. Da hast du das Gefühl: Da werde ich nicht abgespeist mit frommen Formeln, sondern da begegne ich Menschen, die selbst um den richtigen Weg ringen. Da sind Leute, die denken nicht nur an sich, sondern haben einen Blick für andere.
Das Lukasevangelium erzählt: Jesus hat nur wenige Stunden gebraucht, um zwei, die davongelaufen sind, dazu zu bringen, dass sie wieder den Rückweg antreten. Ich glaube, dass wir uns auf Jahrzehnte einrichten müssen
und dass es nicht nur darum geht, dass die Davongelaufenen wieder zurückkehren, sondern dass zuallererst darum geht, dass die Daheimgebliebenen sich verändern und wieder neu zu sich selbst kommen.


Pfarrer Stefan Mai

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