Das Spitzenamt hört auf die Frauen

Predigt in der Osternacht 2010

Am Feuer

Sprache ist immer verräterisch. Sie offenbart, was an Gefühlen und Denkmustern in uns Menschen steckt. Wenn man nur einmal darauf schaut, was in unserer Sprache männlich und weiblich ist, macht man die tollsten Entdeckungen: die Liebe und der Hass. Die Sonne, der Mond. Der Tod, die Auferstehung. Der Tag, die Nacht.
Eigentlich ganz klar: Die Nacht ist die Zeit für die Auferstehung. Im Deutschen verbinden wir „Auferstehung“ mit weiblich, mit Liebe, mit Sonne. Das ist im Osterevangelium nicht anders.

Wortgottesdienst

1. Lesung

Keine Frage: Der Höhepunkt der Schöpfungsgeschichte ist die Erschaffung von Mann und Frau – und zwar als gleichberechtigt nebeneinander.
Lesung: Gen 1 (Kurzfassung)

Zwischengesang GL 226
Gebet

2. Lesung

Die Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer wird in den offiziellen liturgischen Büchern genau da abgebrochen, wo von den Frauen erzählt wird. In dieser Nacht hören wir einmal nur, wie es nach dem Männerteil, wo von Mose erzählt wird, weitergeht: den Frauenteil von der Moseschwester Mirjam.

Lesung: Ex 15,19-21
19 Als die Rosse des Pharao mit Wagen und Reitern ins Meer zogen,
ließ der Herr das Wasser des Meeres auf sie zurückfluten,
nachdem die Israeliten auf trockenem Boden mitten durchs Meer gezogen waren.
20 Die Prophetin Mirjam, die Schwester Aarons,
nahm die Pauke in die Hand,
und alle Frauen zogen mit Paukenschlag und Tanz hinter ihr her.
21 Mirjam sang ihnen vor:
Singt dem Herrn ein Lied,
denn er ist hoch und erhaben!
Rosse und Wagen warf er ins Meer.

Zwischengesang GL 226
Gebet

3. Lesung

Wie oft wird das Verhältnis von Gott und Israel mit einer Ehe verglichen. Der Prophet Jesaja vergleicht Jerusalem mit der Geliebten Gottes.
Lesung (Jes 54,5-14)

Zwischengesang
Gebet

Gloria

Tagesgebet

Neutestamentliche Lesung (Gal 3,26-29)

26 Schwestern und Brüder,
ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus.
27 Denn ihr alle,
die ihr auf Christus getauft seid,
habt Christus als Gewand angelegt.
28 Es gibt nicht mehr Juden und Griechen,
nicht Sklaven und Freie,
nicht Mann und Frau;
denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus.
29 Wenn ihr aber zu Christus gehört,
dann seid ihr Abrahams Nachkommen,
Erben kraft der Verheißung.

Predigt

So manche Frau klagt: Mei Mo. Er redt’ halt nix. Jed’s Wort musst du ne aus der Nas’n rauszieh’. Und von sich erzählt er schon gar nix. Der frisst alles in sich nei. Ich bin da ganz annersch. Ich muss mir einfach alles von der Seel’ redt. Und nachher stell’ ich fest: Zuhörn tut er erst recht net. Manchmal fragt er dann am nächsten Tag: Du, wie war’ denn des’ beim Elternsprechtag? Und dabei hab ich ner’s am Tag davor lang und breit erzählt. Da sieht man’s halt wieder. Egal, was ich sag: S’geht zum einen Ohr nei, zum andern naus.
Liebe Frauen, da müssten Sie heute im Evangelium eigentlich neidisch werden: auf die Frauen, von denen dort erzählt wird – und noch mehr auf den Mann, von dem dort erzählt wird. Denn der hat eine besondere Antenne für Frauen.
Ganz anders als die anderen Männer, die im Osterevangelium vorkommen. Denn die reagieren typisch Mann. Als die Frauen ganz aufgeregt erzählen, was sich am Grab abgespielt hat, heißt es wortwörtlich: „Doch die Apostel hielten das alles für Geschwätz und glaubten ihnen nicht“ (Lk 24,11).
Aber einer ist anders. Der horcht auf. Der hört hin. Und nimmt ernst, was die Frauen sagen. Und der glaubt ihnen. Es heißt: „Petrus aber stand auf und lief zum Grab. Er beugte sich vor, sah aber nur die Leinenbinden dort liegen. Dann ging er nach Hause voll Verwunderung über das, was geschehen war“ (Lk 24,12).
Ausgerechnet Petrus, der Spitzenmann der Kirche – er ist es, der auf die Frauen hört. Wenn das kein Osterevangelium ist!
Stellen Sie sich vor: Papst Benedikt in Rom, Bischof Hoffmann in Würzburg, sie lassen ihr Kardinalskollegium, ihren Geistlichen einmal links liegen – und laden Frauen ein. Keine Edellaien wie die Gräfin von Thurn und Taxis, sondern ganz normale Frauen aus den Gemeinden. Und lassen sich von ihnen sagen, was in den Gemeinden los ist und was sich der Kirche ändern müsste.
Und dann machen sie es wie Petrus: Gehen vor Ort, schauen sich in den Gemeinden um und prüfen, was dran ist an den Worten der Frauen.
Ich frage mich: Vielleicht beginnt auch in unserer Zeit das Ostern der Kirche mit diesem Hinhorchen auf die, die unserer Kirche wenig zu melden haben. Vielleicht beginnt auch in unserer Zeit das Ostern der Kirche mit diesem Gang hinaus, wo Kirche allmählich zu Grabe getragen wird – und neues geistliches Leben beginnt, wo man es nicht vermutet. Und vielleicht würde es auch heute, wie damals von Petrus heißen: Papst Benedikt, Bischof Hoffmann gingen nach Hause, voll Verwunderung über das, was geschehen war.


Pfarrer Stefan Mai

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