Frieden nur im Himmel?

Einstimmung zum Palmsonntag 2010 (Lk 19,28-40)

Wort vor der Lukaspassion

Der Verzweiflungsschrei, mit dem der Evangelist Markus Jesus sterben lässt, war dem Evangelisten Lukas zuviel. Aus dem erschütternden Schrei wird in seiner Passion ein friedvolles Sterben. Nicht nur mit einem Schrei, sondern letzten Worten stirbt der „Gerechte“ Jesus in seiner Passion. Es sind drei Worte:
Das erste: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
Das zweite: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“
Und als drittes: „Vater in deine Hände lege ich meinen Geist.“

Hinter diesen Worten, mit denen Jesus auf den Lippen stirbt, und dann friedlich den Lebensgeist aushaucht, stehen für mich Lebenshaltungen, die einen friedlichen Lebensabschluss und ein Sterben in Frieden möglich machen:
Wo Menschen es fertig bringen, am Ende anderen zu verzeihen, die ihnen im Lauf des Lebens weh getan haben.
Wo Menschen einem Menschen sagen können: Du, alles wird gut!
Wo Menschen loslassen können und ihr Leben der Hand Gottes anvertrauen.
Da glaube ich, dürfen auch heute Menschen ein Sterben erleben, wie es der Evangelist Lukas von Jesus erzählt.

Predigt

Vom Weihnachtsevangelium ist uns der große Friedensgesang der Engel bei der Verkündigung der Geburt Jesu im Ohr: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade.“
Es ist auffallend, dass der Evangelist Lukas, der ja die Geschichte von der Geburt Jesu erzählt, beim Einzug Jesu in Jerusalem diesen Engelsgesang wieder aufgreift. Diesmal singen und jubeln nicht die Engel, sondern die Anhänger Jesu: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!“
Aber merken Sie den Unterschied: Im Gegensatz zur Weihnachtserzählung, wo der Friede im Himmel und der Friede bei den Menschen verkündet wird, hören wir beim Einzug in Jerusalem nur vom Frieden im Himmel: „Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe.“ Wo ist der Friede auf Erden? Bleibt die Sehnsucht nach Frieden auf Erden stets unerfüllt?

Die Palmsonntagsliturgie möchte uns eine Fährte geben. Da heißt es in der Segnung der Palmzweige, die ja als Symbol des Friedens gelten: „Mit Lobgesängen begleiten wir Jesus in seine heilige Stadt. Gib, das wir durch ihn zum himmlischen Jerusalem gelangen.“
Soll das nicht heißen: Dort wo Menschen mit der Lebensgesinnung Jesu d´accord gehen, wo sie in seinen Fußspuren gehen, da hat diese Sehnsucht nach Frieden eine Chance. Was nach Lukas das entscheidende Lebensprofil Jesu ausmacht, wird uns dann in der Kirche in seiner Passionserzählung geschildert. Jesus wird als „Gerechter“ gezeichnet, als einer der aufrecht und aufrichtig dasteht. Erst wo Menschen gerecht, aufrecht und aufrichtig leben, ist Friede möglich: in der Gesellschaft, in der Kirche, daheim. Das mögen uns die Palmzweige heute einmal wieder deutlich sagen, wenn wir durch die Straßen unserer Stadt ziehen, in der Kirche die Leidensgeschichte des Gerechten hören und daheim die Palmzweige in die Wohnung hängen.


Pfarrer Stefan Mai

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