„Behütet“ durch das Jahr

Predigt zu Neujahr 2010

Einleitung

Es ist erstaunlich, dass in unserer Gesellschaft noch immer Grußformeln lebendig sind, die den Namen „Gott“ nennen, obwohl die meisten Menschen im normalen Alltag kaum mehr von ihm sprechen. Beim Gruß jedoch sagt man: Grüß Gott! Adieu! Gott befohlen! Pfüati – Behüt dich Gott.
Ob sich nicht unbewusst Menschen in diesen Grußformeln doch Gott als Begleiter ihres Lebenswegs wünschen?

Predigt

Neben dem Ambo steht ein Wanderstock mit einem Hut
Bevor ich mit der Predigt beginne: Gehört jemand von Ihnen dieser Hut?
Oder hat ihn Josef beim Krippenspiel vergessen?
Keine Angst! Ich bin noch nicht in Sylvesterlaune. Nein, dieser Hut ist im wahrsten Sinne des Wortes der Predigtaufhänger. Denn ich möchte Ihnen heute am ersten Tage des Neuen Jahres mit diesem Hut eine gute Botschaft fürs Neue Jahr 2010 mitgeben. Und diese Botschaft ist in eine Geschichte verpackt. Eigentlich handelt es sich um eine wahre Begebenheit. Eine Altenheimseelsorgerin erzählt:

In Hauspantoffeln schlurft er über den Flur, der alte Mann, der seit drei Wochen in der Kurzzeitpflege untergebracht ist, weil seine Frau ins Krankhaus musste. Langsam schiebt er einen Fuß vor den anderen. Die Wege im Altenheim kennt er inzwischen. Unter der Anzughose blitzt manchmal ein Stückchen Schlafanzug hervor. Es stört ihn nicht. Kleidung war ihm nie besonders wichtig. Wenn die Schwestern ihm sagen, dass der Morgenmantel nicht über den Anzug passt, dann zieht er ihn halt wieder aus.
Nur seinen Hut, den lässt er sich nicht nehmen. Den trägt er den ganzen Tag über. Nicht nur beim Spazierengehen, auch beim Fernsehen, beim Kaffeetrinken und im Bad. Nur einmal an diesem Tag nimmt er ihn kurz vom Kopf. Eine ganze Weile hat er da schon mit seiner Frau im Krankenhaus telefoniert, ihr zugehört, wie sie von der Arztvisite an ihrem Bett erzählt, von dem neuen Medikament, das sie jetzt bekommt – und dass sie heute sogar schon einmal aufgestanden ist. Das mit dem Hut geschieht, als sie sich von ihm verabschiedet. „Behüt’ dich Gott!“, wünscht sie ihm.
Da schließt er für einen Moment die Augen und lächelt. Den Hörer noch immer in der Hand, lüpft er mit der anderen kurz seinen Hut. „Das macht der liebe Gott schon!“, sagt er – und setzt sich den Hut wieder fest auf den weißen Haarkranz.


„Behüt’ dich Gott!“ – diesem alten Mann hilft offensichtlich sein Hut, das den ganzen Tag über zu spüren, wie Gott ihn behütet.
Liebe Leser, ohne viel Worte zu machen. Ich wünsche Ihnen: Behüt’ Sie Gott im Neuen Jahr.

Die Hutgeschichte ist erzählt nach „Auf ein Wort“ von Katrin Weidemann am 7.2.2009, BR 1.
Lied: GL 846 (Behüt uns Gott im neuen Jahr ...)
oder Sologesang: Behüte uns Gott auf all unsern Wegen


Fürbitten

Gott, Herr unserer Stunden und Tage, höre, was wir für das Neue Jahr von dir erbitten:

– Wir beten für alle, die mit Schwung und Zuversicht ins Neue Jahr gehen …
V: Herr, unser Gott,
A: Komm, und begleite sie!

– Wir beten für alle, die ängstlich und sorgenvoll in die Zukunft schauen …

– Wir beten für alle, die Pläne geschmiedet und sich große Ziele gesteckt haben …

– Wir beten für alle, die Verantwortung tragen für den Frieden in der Welt …

Gott, Herr unserer Stunden unserer Tage, wir stehen an der Schwelle des Neuen Jahres. Komm und begleite auch uns durch Christus, unseren Herrn.


Pfarrer Stefan Mai

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