Die schwangere Madonna

Bildmeditation am 4. Adventssonntag zu Piero della Francescas „Madonna del Parto“ in Monterchi

Im Roman „Die schwangere Madonna“ von Peter Heinisch klaut ein wenig erfolgreicher Rundfunkmitarbeiter ganz spontan von einem Schulparkplatz einen VW-Golf, in dem der Schlüssel steckte. Unerwartete Zugabe: Auf dem Rücksitz hatte sich unter dem Mantel ein junges Mädchen versteckt. Das hat überhaupt nichts dagegen, einfach so mitzufahren. Es hat nämlich einige Probleme: Ihre Regel ist ausgeblieben...So beginnen die beiden eine Fahrt in den Süden. Natürlich heißt der Mann Josef und das Mädchen Maria. Das Roadmovie hat ein Ziel: Ein kleines Kirchlein in der Toscana mit einem besonderen Gnadenbild, das der große Meister der Frührenaissance, Piero della Francescas, gemalt hat.

- Orgel spielt leise „Es kommt ein Schiff geladen...“ -

Die Einheimischen haben das Bild „Madonna del parto“ genannt, eine Frau für die Niederkunft. Die Frauen der Region pilgerten zu diesem Gnadenbild. Die Schwangeren erbaten den Segen für eine glückliche Geburt, die Kinderlosen baten darum, bald guter Hoffnung zu sein.

Eine Spannung liegt in diesem Bild. Da ist die Strenge der Symmetrie. Zwei Engel, die spiegelbildlich gemalt sind, öffnen ganz theatralisch den kostbaren Brokatvorhang des Zeltes und schauen dabei dem Betrachter in die Augen. Sie heben den Vorhang und enthüllen die werdende Mutter als große monumentale Erscheinung. Diese ist ganz bei sich. Die Rechte legt sie auf ihren Bauch. Die Linke ist in die Hüfte gestemmt, wie es hochschwangere Frauen oft tun. Und das Kleid ist ihr zu eng geworden. Sie hat ein paar Schlaufen unterhalb der Brust geöffnet und sogar an der Seite eine Naht aufgetrennt. Schwangerer geht es nicht. Zum Platzen voll. Voller Erwartung. Voller Hoffnung. „Geladen bis an sein höchsten Bord“. Wie eine Monstranz zeigt Maria stolz und zugleich in sich gekehrt, die Frucht ihres Leibes: Ave verum corpus natum ex maria virgine.

Dieses großartige Bild möchte mich einfach still staunen lassen vor dem Geheimnis der Menschwerdung. Es fragt mich, ob ich sein Wort unter meinem Herzen trage. Und es ruft mir wieder einmal das alte Wort von Angelus Silesius zu:
„Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, doch nicht in dir, du wärst ewiglich verloren.“

- Orgel spielt leise „Ave verum corpus natum ex maria virgine“ -

(Die Anregung zur Meditation verdanke ich Dr. Herbert Fendrich, in: Bibel heute 4. Quartal 2009, S. 20f)


Pfarrer Stefan Mai

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