Wachet auf - oder die Hallo-Wach-Botschaft des Advents

Predigt zur Rorate am 12.12.2009

Einleitung

Was haben Sie heute früh gedacht, als der Wecker Sie um 5.00 Uhr geweckt hat? War es leicht, aus dem Bett zu kriechen? Oder hätten Sie noch einmal am liebsten die Decke über den Kopf gezogen? Wachet auf! So heißt eines unserer bekanntesten Adventslieder. Was kann es für uns heute im Advent 2009 bedeuten?

Predigt

Geweckt werden vom Wecker ist keine schöne Sache. Manchmal kann ein Wecker ein wahres Marterinstrument sein. Wie oft könnte man dieses Ding an die Wand schmeißen mit seinem fürchterlichen Piepston oder Geratter. Das kann einem ganz schön auf die Nerven gehen.
Aufwachen und aufstehen - mit diesem Appell werden wir jedes Jahr in die Adventszeit geschickt. „Wachet auf!“, ruft uns eines unserer bekanntesten und schönsten Adventslieder entgegen. Das steht diametral der gewohnten Zulull-Musik entgegen.
Ja, der echte Sinn des Advents wäre geradezu, uns vor dem Schlaf der Bequemlichkeit, der Oberflächlichkeit und der Interesselosigkeit aufzuwecken. Aber nicht, um uns zu ärgern, sondern schlafende Seiten in uns zu neuem Leben erwecken. Der Advent möchte uns einladen zu einem wachen und aufgeweckten Christsein.

Vier Hallo-wach-Botschaften möchte ich mir durch die Adventskerzen wieder einmal sagen lassen:
Die erste: Weck den Träumer in dir!
Finde dich nicht ab mit einer Welt, in der immer mehr Gier, Leistungsdruck, Beschleunigung, Karriere und Ansehen die großen Antreiber von Menschen werden. Mal dir als Gegenmittel dazu die Zukunft aus, die du für dich und für uns alle wünschst. Wenn ein Profet Jesaja in schwierigen Zeiten nicht den Traum vom jungen Trieb aus einem abgehackten Baumstumpf weitergegeben hätte, wäre das Volk Israel in Resignation versunken. Wenn er nicht von einem paradiesischen Frieden und vom Umschmieden der Schwerter in Pflugscharen geträumt hätte, dann wäre in der Weltgeschichte noch stärker an der Hass- und Gewaltspirale geschraubt worden. Wenn Jesus nicht seine große Vision vom Reich Gottes in Geschichten erzählt hätte, dann hätten viele nicht neuen Lebensmut gefasst.
Die Kerzen der Adventszeit regen uns wieder zum Träumen an. Oft sind Träume der Beginn einer neuen Wirklichkeit. „Manche Menschen sehen die Dinge, wie sie sind und sagen: Warum? Ich träume von Dingen, die es nie gab und sage: Warum nicht?“, meinte einmal J. F. Kennedy.

Ein zweiter Weckruf: Weck den Detektiv in dir!
Beobachte genau, was in deiner Umgebung vor sich geht. Wem nichts mehr auffällt, dem fällt auch für seine Lebensgestaltung nichts mehr ein. Wache Christen sind neugierig. Sie sind gespannt, ob sie auf Worte in Gebeten, Schrifttexten und Liedern stoßen, die anregen und neue Impulse fürs Leben geben. Sie versuchen herauszufinden, wo und wie sie Spuren Gottes in ihrem Leben finden können.
Die Kerzen im Advent regen uns wieder zur Spurensuche an. Sie helfen, unser Leben auszuleuchten und darin Fußabdrücke Gottes zu entdecken, vielleicht auch Verstecke, in denen Gott verborgen ist.

Der dritte Vorschlag: Weck den Optimisten in dir!
Franz von Assisi gab einmal seinen Brüdern eine konkrete Anweisung, wie sie jeden Morgen beginnen sollten. Sie sollten jedem Menschen, dem sie begegneten, sagen: „Buon giorno! Buona gente! Guten Tag! Liebes Volk.“ Das heißt doch: Nicht aufstehen und als ersten Gedanken haben: Ach, was dieser Tag wieder alles Schlimme bringen mag. Und wem ich heute wieder alles begegnen muss! Nein, Franziskus stellt diese gängige und verständliche Einstellung auf den Kopf: Sag dir, jeden Tag neu: Der Tag ist gut. Die Menschen sind gut. Und du wirst spüren: Es wird ein anderer Tag. Die Menschen erscheinen dir anders. Es kommt auf die Voreinstellung an.

Die Adventskerzen machen uns doch vor, wie stark ein kleines Licht gegen die Dunkelheit ist. Wie der Schein einer Kerze eine Dunkelheit verzaubern kann und vieles in einem anderen Licht erscheinen lassen kann. Sie sagen mir: Wie anders wäre mancher Tag, wenn wir uns von guten Erwartungen und nicht von schlechten Erfahrungen leiten lassen würden. Und sie ermuntern uns, unser eigenes Licht leuchten zu lassen, unseren eigenen Charme zu verschenken.

Ein vierter Weckruf: Weck den Spieler in dir!
Setze einen Akzent gegen alle Geschäftigkeit und vorgespielte Wichtigkeit in deiner Umgebung. Welch ein Segen sind Menschen, die Gelassenheit und ein Stück Heiterkeit in alle Verkrampfung und Verbissenheit bringen.
Die Kerzen des Advents laden uns wieder ein, scheinbar nutzlose Dinge zu tun, wie singen und spielen, sich Zeit zu nehmen, zu genießen und zu dösen. „Ich tat nichts, und doch geschah so viel in mir.“ Diesen Satz habe ich mir einmal gemerkt.

Vier Adventskerzen. Vier Hallo-Wach-Botschaften:
Weck den Träumer in dir!
Weck den Detektiv in dir!
Weck den Optimisten in dir!
Weck den Spieler in dir!
Um wieviel heller und gemütlicher wäre es in unserer Welt!

(Die Anregung zu dieser Predigt verdanke ich W. Raible 100 Kurzansprachen, S. 15-17)


Pfarrer Stefan Mai

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