Ein neuer Trend - die „Quiet Party“

Predigt zum 16. Sonntag im Jahreskreis (Mk 6, 30-34)

Wo ist denn am Sonntag was los? Wer auf diese Frage zur Zeit eine Antwort erhalten will, der braucht nur die Zeitung aufzuschlagen. Überall ist was los, Feste über Feste. „Auf geht’s in Frankens größte Weinstube!“ - so lautet das Motto zum Gerolzhöfer Weinfest vom 17. bis 20. Juli. Wo was los ist, zieht es Menschen an. Quirliges Leben, gute Stimmung, laute Musik, Trubel, Heiterkeit, Stimmengewirr. Auch im beschaulichen Gerolzhofen sind die Straßen einmal am Abend voll. Voll das Leben.

Draußen vor der Kirche das laute Leben. Und in der Kirche hören wir heute ein Evangelium - fast wie ein Gegenprogramm: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“ Mit diesen Worten lädt Jesus seine Jünger ein, dem Trubel um sie herum zu entfliehen. Und es heißt: „Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.“

Es macht mich stutzig, dass sich in den Ballungszentren Chinas und in New York ein neuer Trend entwickelt hat: Die sogenannte „Quiet Party“. Ganz im Gegensatz, was sonst junge Leute in lauten Diskotheken am Wochenende suchen, ist der neue Stil der „Quiet Party“. Es ist eine Stille-Party. Die Single-Party ohne Musik und ohne Worte schleicht sich auf leisen Sohlen zum Erfolg. Drinks gibt es, Stifte und Zettel und sonst: Blicke und Körpersprache. Die Idee ist groß. Kein nervtötend geschrieener Small-Talk über wummernden Beats. Keine krampfhafte Suche nach einem lockeren Gesprächsanfang. Kein belangloses Gequatsche. Dafür die Erlaubnis, einfach dazusein, zu schauen, wirken zu lassen. Quiet Party - Ruhe-Stille-Party. Junge Leute wollen auf diese Art neu zu sich selbst finden und tastend zu anderen finden. Sie wollen auf diese Art mit sich neu in Berührung kommen und mit Sensibilität auf andere zugehen.

Die Sehnsucht nach Leben steckt tief in uns Menschen. Und jeder versucht, dem Leben auf seine Art auf die Spur zu kommen. Nichts gegen Feste und Partys. Aber ich gebe dem französichen Philosophen Blaise Pascal Recht, der schon vor 350 Jahren den Satz schrieb: „Das Unglück des Menschen rührt daher, dass er unfähig ist, mit sich selbst in einem Zimmer zu sein.“
Wer Ablenkung meiden und Stille ertragen kann, merkt, wie es um ihn steht. Das ist manchmal schwer auszuhalten und doch eine Sehnsucht. Wer schweigt und sich im Hören und Wahrnehmen übt, kann sich selbst und anderen näherkommen - und vielleicht auch Gott.


Pfarrer Stefan Mai

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