„Es klingelt - kommt noch jemand?“

Predigt zum Fronleichnamstag 2009

In ihrem Buch „Mitten im Leben - Momentaufnahmen aus der Seelsorge“ erzählt die bekannte geistliche Autorin Andrea Schwarz von dem 2 Jahre alten David, der mit seinen Eltern den Gottesdienst besucht:
David verfolgt mit großem Interesse das Geschehen. Als der Priester und die Ministranten mit dem Klingelzeichen einzogen, fragte er laut und vernehmlich: „Kommt jetzt der liebe Gott?“ „Nein“, sagte die Mutter, „da kommt der Pfarrer.“ Daniel betrachtete sich das ein wenig näher und fragte weiter: „Der Grüne da, ist das der Pfarrer?“ „Ja, das ist der Pfarrer!“ bestätigte seine Mutter. Mit dieser Antwort konnte David erst einmal leben. Und dann ließ er sich wohl ein wenig fesseln von all dem, was um ihn herum geschah. Bei der Wandlung, als die Ministranten mit den Altarglocken schellten, meldete er sich wieder zu Wort und meinte ganz aufgeregt: „Mama, es klingelt! Kommt noch jemand?“

Wir schmunzeln über den drolligen kleinen David, den das Klingelzeichen auf eine Spurensuche nach Gott bringt. Nachdem schon der liebe Gott nicht mit dem Pfarrer kam, ist er beim Klingeln der Ministranten bei der Wandlung ganz gespannt, ob und wie er jetzt kommt.

Ja, wir sind das Klingeln der Ministranten in der Kirche bei der Wandlung, wenn das Brot gezeigt wird, gewohnt. Wir sind das Klingeln beim sakramentalen Segen mit der Monstranz gewohnt. Es gehört einfach für uns Katholiken dazu. Bis heute erleben Menschen diesen Moment als intensiven Moment der Gottesbegegnung. Das Klingeln als Aufmerksamkeitsruf: Guck hin! Sei offen! Da begegnet dir Gott!

Wenn wir heute durch die Straßen von Gerolzhofen gehen, sind die Klingeln mit auf dem Weg dabei. Möchten sie uns vielleicht verdeckt darauf hinweisen: Es gibt sie tatsächlich, die Klingelzeichen Gottes mitten im Alltag, mitten im Leben?
Nicht nur die Blasmusik, auch die Klingeln werden uns beim Singen der Lieder begleiten. Wir alle kennen den umgangssprachliche Redeform: „Da klingelt´s dir in den Ohren.“ So manchen Menschen begleiten Melodien aus dem Gesangbuch im Leben. Bei so manchen Liedstrophen oder Sätzen klingelt´s und mir geht in einer bestimmten Lebenssituation ihr tiefer Lebenssinn und Trost auf. Großartig, was Eltern ihrem Kind bei der Kommunion als Widmung ins Gesangbuch geschrieben haben: „Mögen dir die Melodien und Texte aus diesem Buch zu Herzen gehen und dir jenen Trost und Halt geben, den sie uns im Leben gaben.“

Unsere Ministranten klingeln wieder auf dem Weg am Altar beim sakramentalen Segen. Wenn wir auf die Strahlenmonstranz mit dem hl. Brot schauen, vielleicht klingelt´s in uns: Von diesem Jesus, von seiner Lebensgesinnung will etwas in unser Leben hineinstrahlen. Von seiner Ausstrahlung soll etwas unter uns spürbar werden. „Wer dies Geheimnis feiert, soll selber sein wie Brot; so lässt er sich verzehren von aller Menschen Not. Als Brot für viele Menschen hat uns der Herr erwählt; wir leben füreinander, und nur die Liebe zählt.“ So ein Lied in unserem Gesangbuch.

Wir laufen mit dem Allerheiligsten an unseren Häusern vorbei. An jedem Haus befindet sich eine Türklingel. Wäre das nicht einmal eine ganz neue Art Menschen zu begegnen? Wenn es an meiner Haustür klingelt und mir das Klingelzeichen sagen würde: Vielleicht begegnet dir jetzt in diesem Menschen, dem du jetzt die Tür aufmachst, Gott?

In fast jedem Haus gibt es ein Telefon. Wie oft klingelt es doch am Tag. Und jeder von uns weiß, dass da nicht nur lästige Gespräch erledigt werden müssen, sondern ich oft ganz überraschend ins Gespräch mit Menschen komme, die einem Tag eine ganz andere Note geben und den Alltag beflügeln.

Und wie viele von uns tragen ein Handy in der Hosen- oder Handtasche. Manchmal ist der Klingelton einer geschickten SMS doch fast wie eine himmlische Botschaft, über die ich mich freue und spüre, da vergessen dich Menschen nicht. Manche Menschen löschen bestimmte SMS-Botschaften nie und schauen sie immer wieder an, weil sie ihnen wichtig sind.

Wenn wir wie der kleine David uns einmal bei den vielen Klingelzeichen, die wir im Gottesdienst und im Alltag hören, die Frage stellen: Kommt da vielleicht jetzt der liebe Gott? Glauben Sie nicht, dass wir da aufmerksamer wären für viele Situationen, aufmerksamer für die Menschen, die uns begegnen und mit uns sprechen und aufmerksamer für ihn. Ja der liebe Gott bedient sich in unserem Leben oft der Klingelzeichen von ganz unspektakulärer Art. Möge diese Einsicht uns heute am Fronleichnamstag einmal neu in den Ohren klingeln.


Pfarrer Stefan Mai

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